Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmerzensgeldberechnung bei Vorbestehen einer psychischen Grunderkrankung
Leitsatz (amtlich)
Auch nach dem abgeschwächten Beweismaß des § 287 ZPO ist der dem Geschädigten obliegende Beweis für die Unfallursächlichkeit dauerhafter psychischer Beeinträchtigungen nicht erbracht, wenn der Verlauf einer bereits vor dem Schadensereignis manifesten Grunderkrankung (im Fall: eine depressive psychopathologische Erkrankung) nicht sicher beurteilt werden kann, die für eine beschränkte Dauer in Gestalt einer schadensursächlichen Anpassungsstörung von einer eigenständigen Erkrankung überlagert wurde.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 12.07.2007; Aktenzeichen 11 O 166/05) |
Tenor
I. Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil des LG Saarbrücken vom 12.7.2007 - 11 O 166/05 - mit der Maßgabe abgeändert, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Klägerin weitere 100 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.2.2004 zu zahlen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leisten.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.791,55 EUR festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagten aus einem Verkehrsunfall, der sich am 2.9.2002 in der Ortslage in M. ereignete, auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch.
Die Klägerin befuhr mit ihrem Fahrrad eine bevorrechtigte Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung und stieß mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten, von der Beklagten zu 1) gesteuerten Pkw zusammen und stürzte. Im zweiten Rechtszug steht außer Streit, dass die Beklagten auf der Grundlage einer hälftigen Haftungsquote zur Erstattung der der Klägerin entstandenen Schäden verpflichtet sind.
Die Klägerin, die im Wintersemester 2000 an der Universität T. ein Studium begonnen hat, hat behauptet, sie habe sich infolge des Sturzes ein Schleudertrauma, Prellungen und Distorsionen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule zugezogen. Bereits am nächsten Tag hätten sich starke Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule eingestellt. Es seien Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit aufgetreten. Diese Schmerzzustände hätten sich verfestigt. Eine schon vor dem Unfall bestehende depressive Symptomatik habe sich durch den Unfall verschlimmert. Sie habe sich wegen rezidivierender depressiver Symptome und Anpassungsstörungen seit Mai 2003 in die Behandlung eines Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie begeben müssen. Die depressive Erkrankung der Klägerin habe zusammen mit den objektiven körperlichen Beschwerden zu einer Einschränkung ihrer Gesamtbelastbarkeit von 40 % geführt. Sie habe keine Kraft, den Alltag zu bewältigen und könne nur an 6 bis 8 Vorlesungsstunden in der Woche teilnehmen. Dieser Zustand habe sich chronifiziert, weshalb insgesamt ein Schmerzensgeld von 25.000 EUR angemessen erscheine.
Weiterhin hat die Klägerin für Vergangenheit und Zukunft einen Haushaltsführungsschaden geltend gemacht und hierzu vorgetragen, in dem von ihr bewohnten Appartement (33 m2) sei ein wöchentlicher Zeitbedarf von 20 Stunden für Haushaltstätigkeiten angemessen. Da sie diese Tätigkeit nur noch zu 60 % ausüben könne, resultiere ein auszugleichender Haushaltsführungsschaden von 1,143 Arbeitsstunden pro Kalendertag. Der monatliche Haushaltsführungsschaden belaufe sich auf 324 EUR, den sie für die Zeit vom September 2002 bis einschließlich Juli 2005, insgesamt also für 35 Monate, in Höhe eines Betrages von 11.340 EUR geltend gemacht hat. Daneben begehrt die Klägerin im Klageantrag zu 2) Schadensersatz für die Beschädigung ihres Fahrrades i.H.v. 300 EUR.
Die Klägerin hat beantragt,
I. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie ein Schmerzensgeld i.H.v. 25.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
II. die Beklagten weiterhin zu verurteilen, an die Klägerin 11.640 EUR nebst Zinsen zu zahlen;
III. die Beklagten darüber hinaus als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin eine Rente i.H.v. monatlich 324 EUR beginnend mit den Monat August 2005, jeweils im Voraus, rückständige Beträge i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz verzinslich, zu zahlen;
IV. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeglichen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr künftig aus dem Unfall vom 2.9.2002 noch entstehen werde, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehe.
Dem sind die Beklagten entgegenget...