Leitsatz (amtlich)

1. Ein Versicherungsnehmer ist nicht "durch Krankheit außerstande" seine berufliche Tätigkeit mehr als halbschichtig auszuüben, wenn er selbst in völlig ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den Fortgang der Dinge eingegriffen oder einzugreifen unterlassen hat. Das kann der Fall sein, wenn er im Alltag selbstverständliche, keine gesundheitlichen Risiken bergende und nicht aus sonstigen Gründen unzumutbare Hilfen zum Ausgleich der beruflichen Behinderungen ergriffen hat.

2. Von Dauerhaftigkeit der Berufsunfähigkeit kann bei einer episodenhaft auftre-tenden Anpassungsstörung grundsätzlich nicht ausgegangen werden.

3. Darf sich der Versicherer auf eine wiederholte außervertragliche Vereinbarung über eine befristete Rentenzahlung nach Treu und Glauben nicht berufen, weil aufgrund der behaupteten gesundheitlichen Entwicklung des Versicherungsnehmers Anlass bestanden hätte, eine endgültige Leistungsprüfung vorzunehmen, so hat das nicht zur Folge, dass der Versicherer an ein solches "Anerkenntnis" unbefristet gebunden wäre.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 22.12.2004; Aktenzeichen 12 O 47/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 28.02.2007; Aktenzeichen IV ZR 46/06)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das am 22.12.2004 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 12 O 47/03 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

"Die Klage wird abgewiesen."

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 55.703,30 EUR festgesetzt.

6. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin unterhält bei der Beklagten seit dem Jahr 1995 eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Versicherungsschein Nr. ... vom 2.10.1995, Bl. 27 d.A.). Dem Versicherungsvertrag liegen die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung - B-BUZ - zugrunde (Bl. 37 f. d.A.). § 5 dieser Bedingungen lautet:

"(1) Nach Prüfung der uns eingereichten sowie der von uns beigezogenen Unterlagen erklären wir, ob und von welchem Zeitpunkt an wir eine Leistungspflicht anerkennen.

(2) Wir können ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis unter einstweiliger Rückstellung der Frage aussprechen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit i.S.v. § 2 ausüben kann."

Die Klägerin, eine Versicherungsfachwirtin, war zuletzt als Sachbearbeiterin und stellvertretende Abteilungsleiterin in einem Unternehmen mit Schwerpunkt Altersversorgung von industriellen Führungskräften beschäftigt. Überwiegend war sie - über einen Zeitraum von vier Stunden täglich - mit der Sachbearbeitung betraut; dabei hatte sie insb. Kundenanfragen zur betrieblichen und gesetzlichen Altersversorgung zu beantworten. Daneben wandte sie jeweils eine Stunde täglich auf die Anleitung von Auszubildenden und auf die Unterstützung ihrer Kollegen bei der Bearbeitung schwieriger Fälle auf. Schließlich vertrat sie ihren Vorgesetzten und hatte die verantwortliche Mitarbeit an verschiedenen Projekten vor allem der unternehmensinternen Kommunikation übernommen (Bl. 521 und 102, 121 ff. d.A.).

Mit am 14.9.1999 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 13.9.1999 machte die Klägerin Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit geltend, die sie mit dem Vorliegen einer chronischen Depression und Erschöpfung sowie mit Angstzuständen, Schlafstörungen, Magen- und Darmproblemen, Kopfschmerzen und Migräne begründete.

Für den Zeitraum von Januar 2000 bis einschließlich August 2002 erbrachte die Beklagte die vertraglich vereinbarten Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung im Rahmen mehrerer, jeweils von ihr vorgeschlagener "außervertraglicher Vereinbarungen". Während dieser Zeit übte die Klägerin ihre ursprüngliche berufliche Tätigkeit ab dem 30.7.2000 im zeitlichen Umfang von täglich vier Stunden, ab dem 1.10.2000 in vollem Umfang und vom 1.1.2001 bis zum 30.9.2001 wieder halbtags aus. Zum 30.9.2001 schied sie aus dem Arbeitsverhältnis aus.

Zu der ersten "außervertraglichen Vereinbarung" (Bl. 25 d.A.) kam es im Juni 2000, nachdem die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 30.5.2000 mitgeteilt hatte, ab dem 30.7.2000 an ihren Arbeitsplatz zurückkehren und etwa halbtags arbeiten zu wollen. Im Anschluss an ein Telefonat der Klägerin mit einer Sachbearbeiterin der Beklagten, in dem u.a. über die Vermeidung einer aufwendigen Begutachtung und des hiermit für die Klägerin verbundenen Aufwandes gesprochen worden war, dessen Inhalt im Übrigen aber streitig ist, verabredeten die Parteien sodann zunächst im Wesentlichen:

"Die C. erklärt sich bereit, aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ... bezüglich des Leistungsantrages vom 14.9.1999 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht einen einmaligen Kapitalbetrag i.H...

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