Leitsatz (amtlich)

1. Zur Bemessung der Vergütung eines vorzeitig aus dem Amt entlassenen Testamentsvollstreckers nach der "Neuen Rheinischen Tabelle".

2. Gründe, die zur Entlassung des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB geführt haben, müssen nicht stets auch für die Verwirkung seines Vergütungsanspruchs ausreichen. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach dem Sach- und Streitstand bei der Entscheidung des Prozessgerichts über den Vergütungsanspruch und nicht nach dem Kenntnisstand des Nachlassgerichts zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Amtsenthebung.

3. Hat der Erblasser im Jahre 2010 angeordnet, dass sich die Vergütung des Testamentsvollstreckers "nach den Empfehlungen des Deutschen Notarvereins für die Vergütung des Testamentsvollstreckers in ihrer jeweils gültigen Fassung berechnet", so verweist dies auf die Vorgaben der sog. "Neuen Rheinischen Tabelle". Das dem Testamentsvollstrecker eingeräumte, im Zivilprozess über die Angemessenheit der Vergütung voll nachprüfbare Ermessen bei der Bestimmung der Vergütung nach §§ 315 ff. BGB wird dadurch eingeschränkt mit der Folge, dass die auf einer unzutreffenden Anwendung der Tabelle beruhende Abrechnung unverbindlich und durch gerichtliche Entscheidung zu korrigieren ist.

 

Normenkette

BGB §§ 315, 2221, 315 ff.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Entscheidung vom 30.11.2022; Aktenzeichen 9 O 122/21)

 

Tenor

I. Auf die (Erst-)Berufung des Beklagten wird das am 30. November 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 9 O 122/21 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.291,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. Juni 2021 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die (Zweit-)Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 35.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht mit seiner Klage gegenüber dem Beklagten Vergütungsansprüche aus seiner Tätigkeit als ehemaliger Testamentsvollstrecker über den Nachlass der am 5. November 2011 verstorbenen Frau D. (im Folgenden: Erblasserin) geltend. Er wurde mit Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Homburg vom 19. Juli 2019 - 8 VI 505/13 - gemäß § 2227 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grunde entlassen, zugleich wurde der Beklagte zum neuen Testamentsvollstrecker über den Nachlass bestellt.

Die Erblasserin hatte am 6. September 2010 ein notarielles Testament errichtet (UR Nr. xxx der Notarin E., Blieskastel, Bl. 7 ff. GA), darin u.a. ihren Neffen G. zu 1/2 sowie ihre Großnichten U. und B. zu je 1/4 zu ihren Erben eingesetzt, mehrere Vermächtnisse ausgesetzt, u.a. zugunsten des Klägers und dessen Ehefrau, und Testamentsvollstreckung angeordnet; hierzu enthält das notarielle Testament unter Ziff. V. folgende Regelung (Bl. 13 f. GA):

"Zum Testamentsvollstrecker berufe ich Herrn Rechtsanwalt L., vorgenannt [= den Kläger], ersatzweise dessen Tochter, Frau Rechtsanwältin A., vorgenannt.

Der Testamentsvollstrecker/Ersatztestamentsvollstrecker ist ermächtigt, einen Nachfolger zu ernennen. Ersatzweise ersuche ich das Nachlassgericht, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen.

Der Testamentsvollstrecker/Ersatztestamentsvollstrecker erhält eine Vergütung, die sich nach den Empfehlungen des Deutschen Notarvereins für die Vergütung des Testamentsvollstreckers in ihrer jeweiligen Fassung berechnet.

Der Testamentsvollstrecker ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

Aufgabe des Testamentsvollstreckers/Ersatztestamentsvollstreckers ist die Auseinandersetzung des gesamten Nachlasses, insbesondere die Ausschüttung des Vermögens an die Erben sowie der Vollzug der vorstehend unter Ziffer III. angeordneten Vermächtnisse einschließlich des grundbuchamtlichen Vollzugs der Grundstücksvermächtnisse.

Der Testamentsvollstrecker ist insbesondere auch zur Abgabe von Bewilligungen und Anträgen jeder Art, insbesondere zur Abgabe der Auflassungen berechtigt."

Der Kläger, der seit dem Tage der Testamentserrichtung auch über eine widerrufliche Generalvollmacht/Vorsorgevollmacht der Erblasserin verfügte, die auch für den Fall des Eintritts einer Geschäftsunfähigkeit fortgelten sollte (Bl. 457 d.A. 8 VI 505/13), hatte das Amt des Testamentsvollstreckers durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht am 10. November 2011 angenommen (Bl. 15 GA) und sodann mit der Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten begonnen. Konkret veranlasste er unter anderem die Organisation der Beerdigung nach Wunsch der Erblasserin, die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses gemäß § 2215 Abs. 1 BGB und der rückständigen Einkommensteuererklärungen der Erblasserin für die Jahre 2010 und 2011, die Zuführung des bei der D. Bank befindlichen Bankguthabens zum Nachlassvermögen, die Erstellung einer Erbschaftsteuererklä...

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