Leitsatz (amtlich)

Auch wenn das medizinische Erfahrungswissen zum sicheren Nachweis leichtgradiger Verletzungsfolgen und hieraus resultierender fortdauernder Beschwerden (hier: andauernde Beschwerden nach allenfalls mittelgradiger HWS-Distorsion) nicht in der Lage ist, kann das Gericht am Maßstab des § 287 ZPO seine Überzeugung von der Wahrheit der zu beweisenden Tatsache insbesondere auf die Glaubhaftigkeit und Plausibilität des Klägervortrag stützen.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 17.11.2010; Aktenzeichen 9 O 332/05)

 

Tenor

1. Unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung des Klägers das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Saarbrücken vom 17.11.2010 - 9 O 332/05 - abgeändert und wie folgt neu gefasst.

a. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 28.414,54 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.7.2005 zu zahlen.

b. Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 804,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2005 zu zahlen.

c. Die weiter gehende Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

2. Der Kläger trägt 75 %, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 25 % von den Kosten des ersten Rechtszugs. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 70 %, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 30 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Zwangsvollstreckung i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 102.048,08 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der im Jahr 1966 geborene Kläger, der als selbständiger Elektroinstallationsmeister in L. ein Unternehmen betreibt, die Beklagten wegen eines Verkehrsunfallereignisses, welches sich am 2.2.2005 gegen 7:40 Uhr im Bereich der B.-Brücke in S. ereignete, auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger befuhr mit seinem Fahrzeug der Marke Peugeot Expert Kastenwagen, amtliches Kennzeichen 00-00-00, die Bundesautobahn A 000 aus der Richtung Saarlouis und verließ die Autobahn an der Ausfahrt B.-Brücke. Am Ende der Ausfahrt musste der Kläger an der für ihn Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage anhalten. Der Beklagte zu 3) fuhr mit dem Fahrzeug Opel Corsa, amtliches Kennzeichen 11-11-11, dessen Halter der Beklagte zu 2) und dessen Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 1) war, hinter dem Kläger her, konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr auf das Heck des Fahrzeugs des Klägers auf. Der Kläger erlitt eine HWS-Distorsion. Er begab sich in ärztliche Behandlung. Vom 4. bis zum 24.3.2005 erfolgte eine stationäre Krankenhausbehandlung in L..

Die Beklagte zu 1) zahlte unter Rückforderungsvorbehalt an den Kläger auf den Personenschaden einen Vorschuss von 20.000 EUR. Der Sachschaden wurde i.H.v. 1.655,50 EUR laut Sachverständigengutachten reguliert. Weiterhin erstattete die Beklagte zu 1) eine Kostenpauschale i.H.v. 100 EUR, die Kosten des Sachverständigengutachtens sowie Heilkosten i.H.v. 201,44 EUR.

Mit Anwaltsschreiben vom 28.4.2005 beanspruchte der Kläger von der Beklagten zu 1) als vorläufigen Schadensersatz beziehungsweise Vorschuss auf den Personenschaden weitere 45.453,75 EUR. Mit Schreiben vom 26.7.2005 teilte die Beklagte mit, dass sie lediglich bereit sei, dem Kläger unter Verzicht auf den Rückforderungsvorbehalt zur Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche weitere 10.000 EUR zu zahlen.

Der Kläger hat behauptet, er habe durch den Unfall nicht nur ein HWS-Schleudertrauma, sondern auch eine Prellung/Distorsion von BWS und LWS erlitten. Vor dem Unfall habe er niemals irgendwelche gesundheitlichen Probleme im Bereich der Halswirbelsäule gehabt und sei fit und leistungsfähig gewesen. Infolge des Unfalls sei er bis zum 31.8.2005 fortlaufend arbeitsunfähig gewesen. Die unfallbedingten Leiden seien bei ihm zunächst nicht abgeklungen. Er habe unter Nackenverspannungen und daraus resultierenden Kopfschmerzen sowie ziehenden Schmerzen im HWS-Bereich gelitten, die in den Kopf ausgestrahlt hätten. Dies habe ihn besonders beim Lesen, Schreiben und ähnlichen Tätigkeiten beeinträchtigt. Auch habe sich nach dem Unfall bis heute eine extreme Wetterfühligkeit eingestellt, so dass er bei Wetterveränderungen unter Kopf- und Nackenbeschwerden leide. Dementsprechend sei er erst wieder im Frühjahr 2006 in der Lage gewesen, seiner Erwerbstätigkeit als selbständiger Elektroinstallationsmeister vollumfänglich nachzugehen.

Für die erlittenen Verletzungen hat der Kläger in der Klageschrift ein Schmerzensgeld von mindestens 5.000 EUR geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 20.9.2010 hat der Kläger sodann ausgeführt, ganz unabhängig davon, auf w...

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