Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 19.09.2012; Aktenzeichen 12 O 219/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 19.9.2012 - 12 O 219/09 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.717 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 14.830,20 EUR seit dem 13.11.2009 und aus weiteren 9.886,80 EUR seit dem 23.1.2012.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin ab dem 1.8.2009 bis längstens zum 31.12.2032 jeweils monatlich im Voraus eine Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. 680,30 EUR zu zahlen und die Klägerin für die Zeit ab dem 1.8.2009 von der Zahlung der Beiträge für die Berufsunfähigkeitsversicherung i.H.v. monatlich 25,90 EUR zu befreien.

3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.761,08 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 13.11.2009.

4. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten beider Instanzen tragen die Klägerin zu 15 % und die Beklagte zu 85 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 63.957,89 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Rechtsstreits sind versicherungsvertragliche Ansprüche auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente.

Seit dem 1.1.2001 unterhält die Klägerin bei der Beklagten eine "BerufsunfähigkeitsVersicherung mit planmäßiger Erhöhung nach dem Dynamikplan" (Versicherungsschein vom 11.12.2000, Bl. 30 d.A.). Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeitsversicherung zugrunde (im Folgenden: BU, Bl. 86 d.A.) sowie die "Besonderen Bedingungen für Berufsunfähigkeits-Versicherungen mit planmäßiger Erhöhung nach dem Dynamikplan" (im Folgenden BB Dynamik, Bl. 85 d.A.). Versicherte Leistungen sind gem. § 3 BU die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente sowie die Befreiung von der Beitragszahlungspflicht.

In § 1 Abs. 1 BU ist der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit definiert:

"Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % außer Stande ist, ihrem zuletzt vor Eintritt dieses Zustands ausgeübten Beruf nachzugehen."

Gemäß § 2 BB Dynamik erfolgen "die Erhöhungen des Beitrags und der Versicherungsleistungen "jeweils zu dem Jahrestag des Versicherungsbeginns". In § 2 Abs. 2 BB Dynamik heißt es:

"Sie erhalten rechtzeitig vor dem Erhöhungstermin eine Mitteilung über die Erhöhung (Nachtrag zu Ihrer Versicherung). Der Versicherungsschutz aus der jeweiligen Erhöhung beginnt am Erhöhungstermin."

§ 5 BB Dynamik regelt unter der Überschrift "Wann werden Erhöhungen ausgesetzt?" in Abs. 4:

"Solange Ihre Beitragszahlungspflicht wegen Berufsunfähigkeit ganz oder teilweise entfällt, werden keine Erhöhungen durchgeführt."

Die Klägerin ist Industriekauffrau. Sie arbeitete seit dem Jahr 1995 als Bürokraft in der Firma Autohaus S. in Wadern-Lockweiler. Ihre Arbeitszeit betrug 40 Stunden in der Woche, verteilt auf fünf Tage.

Am 19.8.2005 trat bei der damals im sechsten Monat schwangeren Klägerin - sie hatte bis zu diesem Tag vollschichtig gearbeitet - eine tiefe Bein-Beckenvenen-Thrombose am linken Bein auf. Notfallmäßig und intensivmedizinisch wurde sie zunächst im Krankenhaus St. Elisabeth in Wadern, später bis einschließlich zum 10.9.2005 in Saarlouis stationär behandelt. Wegen eines bei ihr festgestellten, für die Blutgerinnung relevanten genetischen Fehlers wurde sie unter eine Dauermedikation mit Antikoagulantien gestellt, zunächst mit Heparin-Präparaten, dann mit Marcumar (s. Arztbrief des Prof. Dr. P. vom 5.5.2006, Bl. 38 f. d.A.). Es verblieb ein sog. postthrombotisches Syndrom mit sich insbesondere bei längerem Stehen und Sitzen manifestierenden venösen Stauungen.

Während der Elternzeit arbeitete die Klägerin vom 1.4.2006 bis zum 31.10.2007 als Aushilfe mit acht Wochenarbeitsstunden bei ihrem alten Arbeitgeber.

Sie beantragte erstmals am 12.9.2006 Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung, weil sie davon ausging, ihre vormalige, im Wesentlichen sitzend ausgeübte Bürotätigkeit allenfalls noch stundenweise ausüben zu können. Die Beklagte lehnte ab. Mit verschiedenen Schreiben betreffend einen "Dynamiknachtrag mit Wertmitteilung" zum Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag teilte die Beklagte weiterhin die jeweiligen Erhöhungen der monatlichen Berufsunfähigkeitsrente sowie der Beiträge zu den Stichtagen 1.1.2007, 1.1.2008 und 1.1...

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