Leitsatz (amtlich)
a) Der Wechsel auf die Verteilerfahrbahn im Bereich einer Autobahnverzweigung ist kein Fahrstreifenwechsel i.S.v. § 7 Abs. 5 StVO. Kommt es hierbei zu einer Kollision mit einem Fahrzeug, das von einer Autobahnausfahrt auf die Verteilerfahrbahn gelangt ist, spricht auch sonst kein Anscheinsbeweis für ein Alleinverschulden des auf die Verteilerfahrbahn wechselnden Fahrzeugführers.
b) Das an einer Autobahnausfahrt aufgestellte Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren!) gilt nicht für Fahrzeuge, die den Bereich der Auffahrt bereits verlassen haben und die sich auf der Verteilerfahrbahn befinden. Fahrer, die nach rechts auf die Verteilerfahrbahn wechseln, müssen die Sorgfaltsanforderungen des § 9 StVO, auf der Verteilerfahrbahn befindliche Fahrzeugführer müssen die Grundregel des § 1 Abs. 2 StVO beachten.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 20.03.2008; Aktenzeichen 9 O 33/07) |
Tenor
Die Erstberufung des Klägers und die Zweitberufung der Beklagten gegen das am 20.3.2008 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - Az. 9 O 333/07 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen zu 45 % dem Kläger und zu
55 % den Beklagten als Gesamtschuldnern zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.020,79 EUR festgesetzt, wovon 2.709,35 EUR auf die Erstberufung des Klägers und 3.311,44 EUR auf die Zweitberufung der Beklagten entfallen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.
Am 17.8.2007 gegen 10.00 Uhr befuhr der Beklagte zu 1) mit einem bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten Lkw, dessen Halter und Eigentümer der Zweitbeklagte ist, aus Richtung M. kommend die rechte Fahrspur der BAB 6.
Hinter der Auffahrt F. befindet sich eine Autobahnabzweigung. Verkehrsteilnehmer, die geradeaus weiter fahren, gelangen auf die A 620 Richtung S.. Die BAB 6 zweigt nach rechts Richtung Frankreich ab. Der Beklagte zu 1) wollte Richtung Frankreich fahren und zu diesem Zweck auf eine parallel zur Autobahn verlaufende Verteilerfahrbahn wechseln, welche auf die sich später zweispurig öffnende Autobahn Richtung Frankreich führt. Hierbei kam es unter von den Parteien kontrovers geschilderten Umständen zu einer Kollision mit dem Pkw des Klägers, der die Autobahnauffahrt F. befuhr und auf der sich fortsetzenden Verteilerspur ebenfalls Richtung Frankreich fahren wollte. An der Auffahrt F. befindet sich ein Verkehrszeichen 205 (Vorfahrt gewähren!).
Der Kläger behauptet, er habe sich bereits mehr als 100 Meter auf der Verteilerspur befunden, als der Erstbeklagte mit deutlich höherer Geschwindigkeit (mindestens 100 km/h) ohne den Fahrtrichtungsanzeiger zu betätigen auf die Verteilerspur Richtung Frankreich gewechselt sei. Der Kläger habe den Fahrstreifenwechsel trotz Umschau nach hinten und links nicht bemerkt und den Anstoß nicht vermeiden können.
Die Beklagte zu 3) hat auf unstreitige Schadenspositionen von 8.251,18 EUR und eine vom Kläger darüber hinaus begehrte Nutzungsausfallentschädigung vorprozessual insgesamt 3.010,39 EUR gezahlt. Der Kläger hat zunächst Zahlung von 5.500,79 EUR verlangt und die Klage sodann um 520 EUR restliche Nutzungsausfallentschädigung (einen Teilbetrag von 260 EUR hat die Drittbeklagte reguliert) sowie um ein Schmerzensgeld von (mindestens) 500 EUR erweitert (Bl. 34, 35 d.A.). Den Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld hat der Kläger zurückgenommen.
Der Kläger hat (zuletzt) beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 6.020,79 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz aus 5.500,79 EUR für die Zeit vom 5.10.2007 bis 28.11.2007 sowie aus 6.020,79 EUR seit dem 29.11.2007 zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Anwaltskosten von 480,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz aus 464,10 EUR für die Zeit vom 5.10.2007 bis zur Rechtshängigkeit sowie aus 480,16 EUR ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten, die von einer Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten des Klägers ausgehen, haben vorgetragen, der Beklagte zu 1) habe rechtzeitig vor Erreichen der Verteilerfahrbahn den rechten Fahrtrichtungsanzeiger betätigt, um auf die nach rechts in Richtung Frankreich abzweigende BAB 6 zu wechseln. Als der Beklagte zu 1) die Verteilerspur erreicht habe, habe er sich durch Rückschau vergewissert, dass diese frei war, und den Lkw nach rechts gelenkt. Danach sei es zu dem Anstoß gekommen. Der Unfall sei darauf zurückzuführen, dass der Kläger versucht habe, den im Wechsel auf die Verteilerspur befindlichen Lkw trotz eingeschaltetem rechten Fahrtrichtungsanzeiger unter Missachtung des durch Zeichen 205 geregelten Vorfahrtsrechts rechts zu überholen. Der Beklagte zu 1) habe den Pkw des Klägers nicht sehen können, weil der Kläger zu schnell gefahren sei und sich sein Fahrzeug bei der zweiten Rückschau berei...