Leitsatz (amtlich)
Zur Schätzung der Nutzungsentschädigung und des Fahrzeugrestwerts im Rahmen der Vorteilsausgleichung beim sog. Differenzschadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV
Normenkette
BGB §§ 249, 823 Abs. 2; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 01.03.2021; Aktenzeichen 12 O 238/20) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 1.3.2021 - 12 O 238/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der behaupteten Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in seinem Kraftfahrzeug auf Schadendersatz in Anspruch.
Der Kläger erwarb am 18.2.2019 von einem privaten Verkäufer einen gebrauchten Pkw Mercedes-Benz Viano 3.0 CDI BlueEFFICIENCY (Erstzulassung laut Kaufvertrag am 21.9.2011) mit einer Laufleistung von 155.000 km zum Preis von 21.000 Euro.
In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor des Typs OM 642 (EURO 5) verbaut. Die Abgasreinigung erfolgt durch die sogenannte Abgasrückführung, bei der ein Teil der Abgase zur Verringerung der Stickoxidemissionen in das Ansaugsystem des Motors zurückgeführt wird und erneut an der Verbrennung teilnimmt. Die Steuerung der Abgasrückführung erfolgt unter anderem temperaturabhängig ("Thermofenster").
Das Kraftfahrt-Bundesamt hat verschiedene von der Beklagten hergestellte Fahrzeuge wegen vermeintlich unzulässiger Abschalteinrichtungen zurückgerufen. Betroffen sind allerdings nur bestimmte Baureihen der Fahrzeuge der Beklagten, unter anderem mit Motoren des Typs OM 642, nicht aber alle mit diesem Motortyp ausgerüsteten Fahrzeuge. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist von einem verpflichtenden Rückruf nicht betroffen.
Der Kläger hat von der Beklagten erstinstanzlich Schadensersatz in Höhe von 4.200 Euro (20 % des Kaufpreises) zuzüglich Prozess- und Deliktszinsen beansprucht. Außerdem hat er die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für aus der Ausstattung des Fahrzeugs mit einer manipulierten Motorsoftware resultierende Schäden sowie die Feststellung, dass der Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung herrührt, erstrebt und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.789,76 Euro gefordert.
Der Kläger hat behauptet, die Motorsteuerungssoftware seines Fahrzeugs bewirke, dass der Stickoxidausstoß unter den auf dem Prüfstand herrschenden Bedingungen optimiert werde. Aufgrund des Thermofensters funktioniere die Ab-gasreinigung nur innerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs. Daneben komme eine so genannte Kühlmittel-Sollwert-Temperatur-Regelung zum Einsatz, durch die die Aufwärmung des Motoröls künstlich verzögert werde mit der Folge, dass die Stickoxidgrenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten würden. Im Straßenbetrieb sei die Funktion dagegen deaktiviert, was zu höheren Emissionswerten führe. Es handele sich hierbei um unzulässige Abschalteinrichtungen, deren Einbau die Beklagte trotz positiver Kenntnis über die jeweilige Funktionsweise gebilligt habe. Er hätte das Fahrzeug nicht gekauft, wenn er gewusst hätte, dass die Abgaswerte aufgrund einer manipulierten Motorsteuerungssoftware weit über den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerten lägen.
Die Beklagte hat behauptet, das Fahrzeug entspreche in seinem Abgasverhalten den gesetzlichen Vorgaben und stimme mit der erteilten EG-Typengenehmigung überein. Die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung sei anerkanntermaßen erforderlich, um Schäden am Motor und am Abgassystem zu vermeiden und den sicheren Betrieb zu gewährleisten, und daher zulässiger Industriestandard.
Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
Im Berufungsverfahren fordert der Kläger zuletzt eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung, mindestens 3.150 Euro (15 % des Kaufpreises), nebst Rechtshängigkeitszinsen sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten für alle künftigen Schäden, die aus einem Verstoß gegen § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV i.V.m. Art. 18 RL 2007/46/EG resultieren und das streitgegenständliche Fahrzeug betreffen. Daneben wird die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.789,76 Euro verlangt.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 8.9.2023 verwiesen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Schadensersatzverlangen des Klägers erweist sich als unbegründet.
1. Einen auf den so genannten kleinen Schadensersatz aus § 826 BGB gerichteten Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (vg...