Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 12 O 141/21) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 19. Januar 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 12 O 141/21 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis 40.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Herstellerin seines Fahrzeuges auf Schadensersatz mit der Begründung in Anspruch, sein Fahrzeug sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung ausgestattet worden.
Die V. GmbH erwarb im Dezember 2012 ein Neufahrzeug der Marke Audi Q5 3.0 TDI quattro zu einem Bruttopreis von 59.199,00 EUR. Der Kläger zahlte den Kaufpreis an die V. GmbH. Das Fahrzeug wurde am 3.12.2012 auf die V. GmbH zugelassen und am 21.12.2012 auf den Kläger.
Der Kläger verkaufte das Fahrzeug am 22.9.2022 mit einem Kilometerstand von 110.557.
Das Fahrzeug ist von einem Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts nicht betroffen und mit einem von der Beklagten hergestellten V6, 3,0-Liter Dieselmotor der Abgasnorm Euro 5 ausgestattet. Für das streitgegenständliche Fahrzeug steht ein vom Kraftfahrtbundesamt genehmigtes freiwilliges Software-Update zur Verfügung.
Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug verfüge über eine Prüfstanderkennung und schalte (nur) auf dem Prüfstand in einen Fahrmodus (Stichwort "Aufheizstrategie"), welcher den gesetzlichen Abgasgrenzwerten gerecht werde. Darüber hinaus verfüge das Fahrzeug über Temperatursensoren (sog. Thermofenster), die außerhalb des Prüfstandbetriebes die Abgasreinigung erheblich reduzierten.
Der Kläger hat die Beklagte gestützt auf deliktische Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich eines Nutzungswertersatzes) in Höhe von 38.089,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat er die Feststellung erstrebt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet und Schadensersatz wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung leisten müsse.
Die Beklagte ist der Klage entgegentreten und hat die Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen bei dem Fahrzeug bestritten. Sie hat behauptet, dass sie jedenfalls zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs und unter Berücksichtigung der entwickelten Updates bis heute - wie auch das KBA als zuständige Fachbehörde - davon ausgehe, dass das Fahrzeug rechtlich zulässig sei. Selbst wenn man dies aktuell anders beurteilen würde, wäre allenfalls von einem ursprünglichen Irrtum der Beklagten hinsichtlich der Zulässigkeit auszugehen, sicher aber nicht von einer bewussten Täuschung.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 19. Januar 2022, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil es an einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten fehle.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er zunächst sein erstinstanzliches Klagebegehren unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt hat. Mit Schriftsatz vom 26.10.2023 macht er hilfsweise einen Anspruch auf Ersatz des sog. Differenzschadens geltend.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 19.01.22 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken - 12 O 141/21 -
die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von 25.589,28 EUR nebst Zinsen aus 38.089,28 EUR von Rechtshängigkeit bis 21.9.22 sowie aus 12.500,00 EUR seit 22.09.22 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.
hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.879,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.
Im Übrigen erklärt er den Rechtsstreit unter Verwahrung gegen die Kostenlast für erledigt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Ergänzend hat sie sich auf das Vorliegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums berufen, da der Einsatz eines Thermofensters bei Dieselmotoren aller Hersteller branchenüblich gewesen sei, es keinen Anlass für Hersteller oder Zulassungsbehörden gegeben habe, an der Zulässigkeit zu zweifeln, und das Kraftfahrtbundesamt - wie ausdrücklich in seiner Auskunft vom 11. September 2020 bestätigt (Anl. B1) - die EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug auch bei Offenlegung der konkreten Bedatung des Thermofensters...