Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzuschätzung bei einem Fleischereibetrieb mit nicht ordnungsgemäßer Kassenführung. Schätzung von Umsätzen aus der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle. Voraussetzung für eine wirksame tatsächliche Verständigung. Aussetzung der Vollziehung (Umsatzsteuer 1998 sowie Zinsen hierzu)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Nichtordnungsmäßigkeit der Kassenführung ergreift bei einem Fleischereibetrieb, der ausschließlich Bargeschäfte tätigt, seine gesamte Buchführung.

2. Sind die Kassenaufzeichnungen eines Fleischereibetriebs nicht ordnungsgemäß, ist es nicht zu beanstanden, wenn das FA den erklärten Umsätzen Bareinzahlungen auf das Bankkonto hinzuschätzt, über deren Herkunft der Steuerpflichtige nicht bereit war, glaubhafte oder nachprüfbare Auskunft zu geben.

3. Zur Schätzung von Umsätzen eines Fleischereibetriebs aus Veranstaltungen, die in der Steuererklärung dem ermäßigten Steuersatz vom 7 v.H. unterworfen worden waren, als Umsätze aus der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle, wenn Aufzeichnungen oder sonstige Anhaltspunkte dazu fehlen.

4. Eine sog. tatsächliche Verständigung ist nur bindend, wenn die Finanzbehörde durch einen Amtsträger mitgewirkt hat, der zur Entscheidung über die Steuerfestsetzung befugt gewesen ist. Eine Beamtin des Außenprüfungsdienstes ist im Regelfall keine zuständige Amtsträgerin.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 85, 88, 146 Abs. 1, § 162; UStG § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1 Sätze 1-2

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

 

Tatbestand

[XXXXX]

Der Antragsteller betrieb im Streitjahr 1998 eine Fleischerei. Er reichte am 31. Mai 1998 beim Antragsgegner (dem Finanzamt – FA–) eine Umsatzsteuer (USt)-Erklärung für das Streitjahr ein, die gem. § 168 Abgabenordnung (AO) als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung wirkte. In der Steuererklärung hatte der Antragsteller eine USt von 6.626,70 DM errechnet.

Bei einer Betriebsprüfung, die das Streitjahr 1998 umfasste, stellte die Prüferin u.a. Mängel der Buchführung fest. So wurden die Tagesendsummenbons der elektronischen Kassenwaagen nicht aufbewahrt. Auch das Kassenbuch wurde nicht täglich erstellt. Vielmehr wurden die Einnahmen von den Summenbons auf ein gesondertes Blatt übertragen und zum Monatsende mit den Eingangsrechnungen im Kassenbuch erfasst. Die Aufzeichnungen wurden nicht chronologisch erstellt; es entstanden Kassenfehlbeträge. Die Einzahlungen von der Kasse auf das Bankkonto wurden im Rahmen der Erstellung des Kassenbuchs eingearbeitet. Es kam zu Differenzen zwischen den Kassenbeständen und den Bankeinzahlungen; die Kassenbestände laut Kassenbuch hätten die Höhe der Einzahlungen auf das Bankkonto nicht ermöglicht.

Die Prüferin stellte folgende Einzahlungen fest:

  • Auf das Darlehenskonto Nr. 8421951 der Bay. Vereinsbank erfolgten Bareinzahlungen i.H. von insgesamt 156.270 DM, nämlich am 13.5.1998 in Höhe von 81.770 DM und am 12.8.1998 in Höhe von 74.500 DM (vgl. Bl. 76 Prüfer-Handakte).
  • Auf das Konto Nr. 32724381 der Sparkasse zahlte der Antragsteller bar Beträge in Höhe von insgesamt 44.500 DM ein, nämlich am 6.5.1998 in Höhe von 10.000 DM, am 8.6.1998 in Höhe von 10.000 DM, am 22.6.1998 in Höhe von 16.500 DM und am 31.8.1998 in Höhe von 8.000 DM (vgl. Bl. 77 Prüfer-Handakte).
  • Außerdem zahlte der Antragsteller bar weitere Beträge in Höhe von insgesamt 22.000 DM ein, und zwar am 4.8.1998 in Höhe von 5.000 DM und 6.000 DM sowie am 24.8.1998 in Höhe von 3.000 DM und 8.000 DM (vgl. Bl. 76 Prüfer-Handakte).

Nachdem der Antragsteller nach Auffassung der Prüferin die Herkunft der Einzahlungen nicht ausreichend nachweisen oder glaubhaft machen konnte, beurteilte sie diese Beträge als Entgelt für Umsätze und erhöhte dementsprechend die Umsätze (187.377 DM mit einem Steuersatz von 7 v.H., 19.371 DM mit einem Steuersatz von 15 v.H.).

Die Prüferin beurteilte Umsätze aus Veranstaltungen, die vom Antragsteller in seiner Steuererklärung einem Steuersatz von 7 v.H. unterworfen worden waren, zu 60 v.H. als Umsätze im Zusammenhang mit an Ort und Stelle verzehrten Speisen. Demgemäß verringerte sie die Umsätze, die einem Steuersatz von 7 v.H. unterliegen, um 8.099 DM und erhöhte die Umsätze, die einem Steuersatz von 16 v.H. unterliegen, um 7.470 DM. Außerdem unterwarf sie die vom Antragsteller im Streitjahr aus der Vermietung eines Ladengeschäfts vereinnahmte Miete i.H. von 3.300 DM sowie Mietforderungen, die im Streitjahr entstanden waren, i.H. von 7.964 DM der USt (3.318 DM zu 15 v.H., 9.869 DM zu 16 v.H.), nachdem der Antragsteller für die Mietumsätze auf die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 12 UStG verzichtet hatte.

Der Antragsgegner (das Finanzamt – FA–) folgte den Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung der Prüferin und setzte am 24. Oktober 2000 mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid die USt für 1998 auf 25.353 DM fest. Außerdem erließ er am 24. Oktober 2000 einen Bescheid über Zinsen zur USt 1998.

Gegen die USt-Festsetzung 1998 ...

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