Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers über eine personelle Einzelmaßnahme. Tarifliche Eingruppierungssystematik

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Voraussetzung für eine gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber. Dieser hat den Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine Unterrichtung, die es dem Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben ist.

2. Der Arbeitnehmer ist in die Entgeltgruppe einzugruppieren, deren Tätigkeitsmerkmale der gesamten von ihm nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn sie zeitlich mindestens zur Hälfte den Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals entspricht.

 

Normenkette

BetrVG § 99; ETV § 3 Abs. 1 Fassung: 2017-12-21; ÜTV § 2 Fassung: 2017-12-21

 

Verfahrensgang

ArbG Chemnitz (Entscheidung vom 03.04.2019; Aktenzeichen 9 BV 40/18)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 16.12.2020; Aktenzeichen 4 ABR 8/20)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin/Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 03.04.2019 - 9 BV 40/18 - abgeändert und die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur Eingruppierung des Herrn ... in die Entgeltgruppe 1 in der individuellen Endstufe in Höhe von 1.926,39 € als Haus- und Gartenarbeiter ab 01.01.2018 ersetzt.

2. Die Rechtsbeschwerde wird für den Beteiligten zu 2. zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin/Beteiligte zu 1. (im Folgenden = Arbeitgeberin) begehrt die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2. (im Folgenden = Betriebsrat) zur Eingruppierung eines Arbeitnehmers.

Das Unternehmen der Arbeitgeberin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 03.05.1995 mit Sitz in ... gegründet. Unter gleicher Firma mit dem Zusatz "Niederlassung Sachsen" besteht eine Zweigniederlassung in ... Zweck der Gesellschaft ist u. a. die Förderung internationaler Gesinnung, der Völkerverständigung, des Wohlfahrtswesens, der Jugend- und Altenhilfe und der Erziehung sowie der Volks- und Berufsbildung (vgl. HRB 40110 des Amtsgerichts Frankfurt am Main).

Einziger Gesellschafter der Arbeitgeberin ist der ... e. V., der im Rahmen der sog. ...-Gruppe, der auch die Arbeitgeberin angehört, mit weiteren Gesellschaften als Anbieter der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit in Deutschland auftritt. Der ... e. V. vereinbarte bereits in der Vergangenheit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seines Unternehmens Tarifverträge mit der Gewerkschaft ..., u. a. den Manteltarifvertrag (MTV) Nr. 2, den Entgelttarifvertrag (ETV) vom 23.02.2009 und den Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale (TV TM) vom 18.05.2001. Für das Unternehmen der Arbeitgeberin galten in der Vergangenheit dagegen keine Tarifverträge.

Erstmals unter dem 21.12.2017 schloss die Arbeitgeberin neben anderen Unternehmen der ...-Gruppe mit ... den Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Internationalen Bundes (ETV ...; in Anlage AST 1 zur Antragsschrift vom 14.11.2018; Bl. 9 ff. d. A.) und den Überleitungstarifvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Internationalen Bundes in den Entgelttarifvertrag des Internationalen Bundes (ÜTV ...; in Anlage AST 2 zur Antragsschrift vom 14.11.2018; Bl. 14 ff. d. A.), die beide zum 01.01.2018 in Kraft traten. Bereits seit dem 01.10.2016 bzw. 01.01.2017 gilt im Unternehmen der Arbeitgeberin der Manteltarifvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Internationalen Bundes (MTV ...) vom 07.07.2016. Ein Tarifvertrag über Tätigkeitsmerkmale wird verhandelt, konnte aber bisher nicht abgeschlossen werden.

Mit Arbeitsvertrag vom 04.02.2016 (Anlage AG 1 zum Schriftsatz des Betriebsrats vom 16.01.2019, Bl. 54 ff. d. A.) wurde Herr ..., der über eine Ausbildung als Maschinist für Mechanisierungsgeräte verfügt und nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist, "als Hausmeister" mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von durchschnittlich 40 Stunden und einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 1.826,39 € in der Niederlassung Sachsen der Arbeitgeberin eingestellt. Sein Einsatz erfolgt im Kinderhaus der Arbeitgeberin in ..., in welchem Kinder zeitweise oder dauerhaft Aufnahme finden, welche aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr in ihren Familien leben können. Unter § 16 des Arbeitsvertrages ist unter der Überschrift "Bezugnahmeklausel" u. a. Folgendes bestimmt: (1) Sollte der Arbeitgeber zu einem späteren Zeitpunkt einer tariflichen Regelung unterliegen oder einen Haustarifvertrag abschließen, werden die Regelungen zum Inhalt des Arbeitsvertrages ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer Mitglied der vertragsschließenden Gewerkschaft ist und ohne Rücksicht darauf, ob die tarifliche Regelung günstiger oder ungünstiger ist.

(2) (...)

In zeitlich streitigem Umfang sind von H...

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