Entscheidungsstichwort (Thema)

nichtvermögensrechtliche Angelegenheit. Wertfestsetzung. Verfahrenswert. Freistellung eines Betriebsratsmitglieds zur Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung. nichtvermögensrechtliche Streitigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Antrag des Betriebsrats auf bezahlte Freistellung eines seiner Mitglieder für die Teilnahme an einer Schulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG stellt eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit i.S.v. § 23 Abs. 3 S. 2 RVG dar.

 

Normenkette

BetrVG § 37 VI S. 1; RVG § 23 III 2

 

Verfahrensgang

ArbG Chemnitz (Beschluss vom 28.06.2011; Aktenzeichen 9 BVGa 6/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1./Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers und Beteiligten zu 1. in erster Instanz wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 28.06.2011 – 9 BVGa 6/11 –

abgeändert:

  1. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers und Beteiligten zu 1. des Ausgangsverfahrens wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
  2. Der Beschwerdewert wird auf 564,15 EUR festgesetzt.
  3. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.
 

Tatbestand

I.

Der Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts.

Der Antragsteller, der Betriebsrat der Antragsgegnerin (im Folgenden: Arbeitgeberin), hat das vorliegende Beschlussverfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag vom 09.05.2011 eingeleitet. Darin beantragt er, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Teilnahme der 2. Stellvertreterin der Betriebsratsvorsitzenden an dem Schulungsseminar nach § 37 Abs. 6 BetrVG „Gerichtsfeste Dokumentation” in dem Zeitraum 16.05. bis 17.05.2011 in … zu gestatten, die insoweit anfallenden Kosten zu übernehmen und die 2. Stellvertreterin der Betriebsratsvorsitzenden für die Teilnahme an dieser Schulung von der Arbeitsleistung nach § 37 Abs. 2 BetrVG freizustellen.

Das Verfahren wurde vor dem Arbeitsgericht durch mittlerweile rechtskräftigen Beschluss vom 12.05.2011 beendet.

Auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 28.06.2011 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers auf 471,67 EUR festgesetzt. Hierbei hat es die tatsächlichen Gesamtaufwendungen der Arbeitgeberin (Vergütung des betroffenen Betriebsratsmitglieds für zwei Tage sowie Seminarkosten) zugrunde gelegt.

Gegen diesen dem Antragsteller am 29.06.2011 zugesandten Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mit am 14.07.2011 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, den Gegenstandswert auf 4.000,00 EUR festzusetzen.

Nach Auffassung des Beschwerdeführers stelle der Antrag des Antragstellers auf Freistellung eines seiner Mitglieder zur Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung i. S. v. § 37 Abs. 6 BetrVG eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit dar.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde auch insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 EUR und ist somit zulässig.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel auch Erfolg. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers war hier auf 4.000,00 EUR festzusetzen.

Der Wert des Verfahrensgegenstands ist im vorliegenden Fall nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit, muss dabei von einem Hilfswert von 4.000,00 EUR ausgegangen werden, der nach Lage des Falles niedriger oder – bei einer Obergrenze von 500.000,00 EUR – höher angenommen werden kann.

Ob es sich bei dem Antrag des Betriebsrats, eine seiner Mitglieder für die Teilnahme an einer Schulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG bezahlt freizustellen, um eine vermögensrechtliche oder nichtvermögensrechtliche Angelegenheit i. S. d. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG handelt, wird in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte nicht einheitlich entschieden. Nach der Auffassung hat der geltend gemachte Freistellungsanspruch vermögensrechtliche Natur. Wenn der Arbeitgeber verpflichtet werden solle, das Betriebsratsmitglied für die Dauer der Schulung ohne Arbeitsleistung zu vergüten, handele es sich um einen Eingriff in das vertragliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung; dieser wirtschaftliche Gesichtspunkt stehe im Vordergrund und müsse für die Wertfestsetzung maßgebend sein (LAG Hamm, Beschluss vom 27.10.2010 – 10 Ta 467/10 – und vom 05.11.2010 – 13 Ta 468/10 –; LAG Köln, Beschluss vom 26.06.2006 – 7 Ta 75/07 –). Die Gegenmeinung stellt hingegen darauf ab, dass es bei einer Freistellung für eine Schulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG nicht vordringlich um die Zahlung der Vergütung an das Betriebsratsmitglied, sondern um den Schulungsbedarf des Betriebsratsgremiums geht; dieser Gegensta...

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