Entscheidungsstichwort (Thema)
Korrektur eines unrichtigen Tenors einer arbeitsrechtlichten Entscheidung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der § 319 ZPO gibt den Gerichten die Möglichkeit, offensichtliche Versehen zu korrigieren. Der Sinn dieser Regelung liegt darin, Verfälschungen des Rechtsspruchs durch technische Fehlleistungen oder banale Irrtümer zu vermeiden. 2. Eine Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten des Tenors in einem Verfahren zum Arbeitskampf eines Verkehrsdienstleisters kann - zum Zwecke der Selbstkorrektur - jederzeit von Amts wegen erfolgen, auch nach dem Eintritt der materiellen Rechtskraft.
Normenkette
ZPO § 319 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Chemnitz (Aktenzeichen 9 Ga 9/24) |
Tenor
Der Tenor zu 2 des Urteils des Sächsischen Landesarbeitsgerichts - 4 GLa 10/24 - vom 10.06.2024 wird aufgrund einer offenbaren Unrichtigkeit gem. § 319 Abs. 1 ZPO berichtigt und zwischen
"Der Verfügungsbeklagten wird bis zum Abschluss einer Notdienst-Vereinbarung, welche die Beförderung schulpflichtiger Personen an Schultagen sicherstellt,"
und
"aufgegeben, während zukünftiger Streikmaßnahmen, die von ihr nicht mindestens vier Kalendertage vor Beginn angekündigt werden, und von denen Tage betroffen sind, die im Freistaat Sachsen keine Ferien im Sinne von § 33 Abs. 2 SächsSchulG sind, im Unternehmen der Verfügungsklägerin an folgendem Notdienst mitzuwirken"
eingefügt:
"längstens für die Dauer des aktuellen Tarifkonflikts".
Gründe
Die Berichtigung des Tenors erfolgt vorliegend gem. § 319 ZPO durch die Kammer, welche die Entscheidung erlassen hat und nach Anhörung der Parteien unter Beachtung des Vorbringens aus den Schriftsätzen vom 26.08.2024.
§ 319 ZPO gibt den Gerichten die Möglichkeit, offensichtliche Versehen zu korrigieren. Der Sinn dieser Regelung liegt darin, Verfälschungen des Rechtsspruchs durch technische Fehlleistungen oder banale Irrtümer zu vermeiden (BAG, Urteil vom 08.12.2020 - 3 AZR 64/19 - Rn. 47; BAG, Urteil vom 10.05.2005 - 9 AZR 251/04 - Rn. 21,22). § 319 ZPO schützt die Rechtssuchenden vor den Folgen solcher im Justizalltag unvermeidlichen Fehler und ist damit Ausdruck des das Prozessrecht durchziehenden Prinzips der Rücksichtnahme auf die Rechtssuchenden und ihrer fairen Behandlung (BVerfG, Beschluss vom 15.01.1992 - 1 BvR 1184/86 -; BAG, Urteil vom 22.03.2018 - 8 AZR 779/16 - Rn. 19, BAG, Urteil vom 10.05. 2005 - 9 AZR 251/04 - Rn. 21,22). "Offensichtlich" ist ein Versehen, wenn es sich aus dem Zusammenhang der Entscheidung selbst oder zumindest aus den Vorgängen bei ihrem Erlass oder ihrer Verkündung nach außen deutlich ergibt und damit auch für Dritte ohne weiteres erkennbar ist (BAG, Urteil vom 08.12.2020 - 3 AZR 64/19 - Rn. 47; BAG 22.03.2018 - 8 AZR 779/16 - Rn. 22).
Eine Divergenz kann sich aus den Gründen der Entscheidung ergeben (Zöller, ZPO, § 319, Rn. 24). Eine Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten des Tenors kann - zum Zwecke der Selbstkorrektur - jederzeit von Amts wegen erfolgen, auch nach Eintritt der materiellen Rechtskraft (Schleusener/GMP § 61 Rn. 48; Feskorn in: Zöller, ZPO, 35.Aufl. 2024, Rn.33).
Diese Voraussetzungen liegen vor.
Zwar hat die Berufungskammer die erstinstanzliche Entscheidung auch hinsichtlich der Mitwirkungsverpflichtung der Verfügungsbeklagten an der Notdienst-Vereinbarung "längstens für die Dauer des aktuellen Tarifkonflikts," bestätigt, dies aber aufgrund eines Versehens bei der Niederschrift des Tenors nicht in den Urteilstenor zu 2 aufgenommen.
Im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung vom 10.06.2024 hat die Vorsitzende bereits dargestellt, dass die erstinstanzliche Entscheidung in den wesentlichen Teilen bestätigt wurde und diese lediglich hinsichtlich der Eingrenzung auf Schultage und der Möglichkeit, die auferlegte Verpflichtung durch eine Ankündigung zukünftiger Streikmaßnahmen von 4 Kalendertagen im Voraus abzuwenden, abgeändert wurde.
Die offenbare Unrichtigkeit ergibt sich auch aus B, 1. Absatz der schriftlichen Entscheidungsgründe. Dort wird festgestellt:
"Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist im überwiegenden Umfang unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 29.05.2024 der Verfügungsbeklagten aufgegeben, bis zum Abschluss einer Notdienst-Vereinbarung zwischen den Parteien im aktuellen Tarifkonflikt während zukünftiger Streikmaßnahmen außerhalb der sächsischen Schulferien an der von der Verfügungsklägerin erarbeiteten und von dieser mit der einstweiligen Verfügung begehrten Notdienstplanung mitzuwirken." Die Berufungskammer hat im Urteil lediglich die Mitwirkungspflicht auf die Beförderung schulpflichtiger Personen an Schultagen eingeschränkt und eine korrigierende Güterabwägung (Teil B Absätze 2 bis 5 der Entscheidungsgründe) vorgenommen.
Der von der Berufungskammer herangezogene Prüfungsmaßstab gem. § 935 ff. ZPO und die verfassungskonforme Güterabwägung der widerstreitenden Grundrechte erfolgte unter Zugrundelegung des Arbeitskampfziels "Einführung einer 35-Stunden-Woche" (Entscheidungsgründe: B, I, 2.b.). Ein...