Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltungsanspruch. Erfüllung des Urlaubsanspruchs durch unwiderrufliche Freistellung am Ende des Arbeitsverhältnisses? Rechtsmissbräuchliches Abgeltungsverlangen

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Urlaubsabgeltungsverlangen ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von der Arbeitspflicht unter voller Lohnzahlung unwiderruflich freigestellt war, somit mit einem Rückruf nicht mehr zu rechnen brauchte, und sich nicht selbst um die zeitliche Konkretisierung des Urlaubs bemüht hat.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4; BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Urteil vom 03.11.2006; Aktenzeichen 11 Ca 2230/06)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 03.11.2006 – 11 Ca 2230/06 –

abgeändert.

Die Klage wird

abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung.

Die Klägerin war in der Zeit vom 13.09.1999 bis 15.04.2006 bei dem Beklagten als Zahnarzthelferin beschäftigt. Neben einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von zuletzt EUR 1.278,23 vereinbarten die Parteien einen Jahresurlaubsanspruch in Höhe von 26 Arbeitstagen.

Das Arbeitsverhältnis gestaltete sich ab dem 26.11.2001 wie folgt:

26.11.2001 bis 29.09.2003 Elternzeit,

30.09.2003 bis 06.11.2003 Tätigkeit,

07.11.2003 bis 23.04.2004 Beschäftigungsverbote wegen zweiter Schwangerschaft, 24.04.2004 bis 26.02.2006 zweite Elternzeit.

Mit Schreiben vom 28.02.2006 (Bl. 43 d. A.) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin. Im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreits einigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.04.2006.

In dem Kündigungsschreiben vom 28.02.2006 heißt es:

„Gleichzeitig stelle ich Sie unwiderruflich von der Arbeit in meiner Praxis frei.

Ihre Urlaubsansprüche einschließlich eines eventuellen Resturlaubes vor der Elternzeit wird finanziell berücksichtigt.”

Mit am 31.05.2006 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage hat die Klägerin eine Urlaubsabgeltung für insgesamt 9 Monate geltend gemacht. Der eindeutige Wortlaut des Kündigungsschreibens enthalte den Willen des Beklagten, den noch offenen Urlaub unabhängig von der Freistellung abzugelten.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.179,90 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.05.2006 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat entgegnet, die Formulierung im Kündigungsschreiben sei auslegungsbedürftig. Danach hätten mit bezahlter Freistellung Urlaubs- und sonstige Freizeitansprüche erledigt sein sollen. Im Übrigen sei die Berechnung der Klägerin unklar.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 03.11.2006 dem Klageantrag entsprochen, die Kosten des Rechtsstreits (im Hinblick auf einen von der Klägerin zurückgenommenen Teil der Klage) den Parteien je zur Hälfte auferlegt sowie den Streitwert auf EUR 1.179,90 festgesetzt.

Es hat in den Entscheidungsgründen, auf welche im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 71 bis 73 d. A.), u. a. ausgeführt, der Klägerin stünde ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 9 Monate, somit für 20 Arbeitstage, á EUR 59,00 pro Tag zu. Der Urlaubsanspruch sei nicht durch Erfüllung erloschen. „Finanziell berücksichtigt” bedeute, dass der Urlaub noch bezahlt werde. Eine Verknüpfung zwischen der unwiderruflichen Freistellung und der Urlaubsgewährung bestünde nicht. Der Wortlaut sei insofern eindeutig.

Gegen dieses ihm am 16.11.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.11.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangene und am 04.12.2006 ausgeführte Berufung des Beklagten.

Dieser vertritt die Ansicht, bei Auslegung des Kündigungsschreibens nach § 133 BGB ergäbe sich der Wille des Beklagten, die Klägerin unter Abgeltung der Urlaubsansprüche unwiderruflich freizustellen. Hierfür spräche auch die Interessenlage. Ohne die Freistellung hätte die Klägerin den Arbeitsvertrag erfüllen und Urlaubstage in Anspruch nehmen müssen. Die Auslegung durch das Arbeitsgericht widerspräche den Interessen des Beklagten und stünde in Widerspruch zu dem Grundsatz, dass im Zweifel anzunehmen sei, die Parteien hätten etwas Vernünftiges gewollt.

Im Übrigen seien die Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz am 23.04.2004, nicht am 30.04.2004 beendet gewesen; somit ergäben sich nur 6 volle Monate gemäß § 5 Abs. 1 BUrlG. Für den Zeitraum vom 28.02.2006 bis 15.04.2006 ergäbe sich kein Urlaubsanspruch, da der Zweck des Urlaubs bereits durch die unwiderrufliche Freistellung bewirkt sei. Somit betrage der Urlaubsanspruch der Klägerin lediglich 13 Tage.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 03.11.2006 – 11 Ca 2230/06 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin wiederholt ihren Standpunkt aus erster Instanz und verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Der Beklagte habe eine Regelung getroffen, die es der Klägerin nicht ...

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