Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines nach dem 03.10.1990 begründeten Arbeitsverhältnisses wegen MfS-Tätigkeit und wegen Fragebogenlüge
Normenkette
EV Abs. 5; BGB § 626; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Urteil vom 03.09.1998; Aktenzeichen 3 Ca 11232/96) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 03.09.1998 – 3 Ca 11232/96 – teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung mit Schreiben des Oberschulamtes Dresden vom 27.11.1996, dem Kläger zugegangen am 28.11.1996, aufgelöst worden ist.
2. Im Übrigen wird die Berufung
zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/3, der Beklagte zu 1/3.
4. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen und einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung, welche der Beklagte auf eine inoffizielle Tätigkeit des Klägers für das MfS sowie auf mehrfache Falschbeantwortungen des Klägers auf Fragen hiernach stützt.
Der am 25.07.1966 geborene ledige Kläger steht seit 28.07.1994 als Lehrer im staatlichen Schuldienst. Er wurde in den Unterrichtsfächern Englisch und Geografie am … beschäftigt; sein Monatsgehalt betrug zuletzt in Vergütungsgruppe II a BAT-O DM 4.709,00 brutto. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 28.07.1994 zugrunde. Zuvor hatte der Kläger in der Zeit vom 04.07.1992 bis 29.06.1994 den Vorbereitungsdienst für das höhere Lehramt an Gymnasien abgeleistet.
Mit Erklärungen vom 24.08.1992 (Bl. 30 bis 32 d.A.) und vom 28.07.1994 (Bl. 33 bis 35 d.A.) verneinte der Kläger Fragen nach einer Tätigkeit für das MfS/ANS. Ebenso wurden Fragen nach Kontakten zum MfS verneint.
Mit am 12.11.1996 beim Beklagten eingegangenen Einzelbericht vom 28.10.1996 (Bl. 37 bis 38 d.A.) teilte der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) mit, der Kläger sei ab 25.02.1986 als „Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit” (GMS) mit dem Decknamen … erfasst gewesen „bis offen”. Im Anschluss an eine handschriftliche Verpflichtungserklärung vom 25.02.1986 (Bl. 38 R. d.A.) habe der Kläger drei handschriftliche Berichte, unterschrieben mit dem Decknamen, gefertigt. Außerdem gäbe es 27 Treffberichte der Führungsoffiziere, 19 Berichte der Führungsoffiziere nach mündlichen Informationen des IM … und 9 Tonbandabschriften. Ziel der Werbung sei, zur Unterstützung der Arbeit des MfS aus den Reihen der NVA – der Kläger leistete zur Zeit der Werbung als GMS seinen Wehrdienst bei der NVA ab – das „frühzeitige Erkennen und Verhindern von Verstößen gegen den Geheimnisschutz und das rechtzeitige Erkennen von Erscheinungsformen der politisch-ideologischen Diversion” gewesen. Die Berichte hätten Angaben zu Wehrpflichtigen und zu Vorgesetzten, Informationen zu einer in die BRD übergesiedelten Person, Mitteilungen über dienstliche Sachverhalte und die Wiedergabe der Stimmung während des XI. Parteitages der SED enthalten.
In einer Übergabeeinschätzung vom 28.05.1987 (Bl. 48 R. d.A.) heißt es u.a. der Kläger sei im Bereich der Soldaten, die zum Großteil im Stab des Mot.-Schützenregimentes tätig gewesen seien, eingesetzt worden. Aufgrund seiner Versetzung in die Reserve der NVA sei er der Abteilung XX der BV Dresden für weitere operative Nutzung angeboten worden; hierzu sei er bereit. Ferner heißt es dort:
„Es kann eingeschätzt werden, dass der GMS entsprechend seiner Beauftragung und Einsatzrichtung objektiv und aussagekräftig berichtete. Hinweise auf Desinformationen bzw. Dekonspirationen wurden nicht erarbeitet. Operativ zu beachten ist, dass der GMS postalische Verbindungen zu einem ehemaligen DDR-Bürger unterhält und hierzu offen und ehrlich berichtete.”
In dem Personalgespräch beim Oberschulamt Dresden am 18.11.1996 (Protokoll Bl. 49 bis 53 d.A.) bestritt der Kläger, dass die Unterschrift unter der Verpflichtungserklärung von ihm stamme; er habe auch nichts von einem Decknamen gewusst. Er habe gegenüber einigen „Herren”, die sich nicht als Mitarbeiter des MfS zu erkennen gegeben hätten, mündlich Auskünfte gegeben.
Der mit Schreiben vom 28.11.1996 (Bl. 54/55 d.A.) informierte Bezirkspersonalrat Gymnasien und Kollegs beim Oberschulamt Dresden meldete mit Schreiben vom 26.11.1996 (Bl. 56 d.A.) Bedenken gegen eine außerordentliche Kündigung und erhob mit Schreiben vom gleichen Tage (Bl. 57 d.A.) Einwendungen gegen eine ordentliche Kündigung; denn der Kläger habe nach eigenen Angaben ausschließlich Mitarbeitern der „Abteilung 2000”, die er der NVA-Abwehr zugeordnet habe, informiert und eine Verpflichtungserklärung nicht selbst unterzeichnet.
Das Oberschulamt wies die Einwendungen mit Schreiben vom 28.11.1996 zurück. Ein Stufenverfahren wurde nicht eingeleitet.
Der Präsident des Oberschulamtes Dresden sprach sodann mit Schreiben vom 27.11.1996, dem Kläger zugegangen am 28.11.1996, eine außerordentliche Kündigung und mit Schreiben vom 1...