Entscheidungsstichwort (Thema)
einstweiliges Verfügungsverfahren: Versetzung, keine Darlegung und Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes, keine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Versetzung
Leitsatz (redaktionell)
Der Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung gegen eine Versetzung erfordert entweder ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse des Arbeitnehmers oder die Offenkundigkeit der Rechtswidrigkeit der Versetzungsmaßnahme.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; BGB § 315
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Urteil vom 29.07.2011; Aktenzeichen 1 Ga 50/11) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 29. Juli 2011 – 1 Ga 50/11 – wird auf ihre Kosten
z u r ü c k g e w i e s e n. |
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung von der Verfügungsbeklagten die Unterlassung einer Versetzung.
Die im November 1963 geborene Verfügungsklägerin ist seit Juli 2009 – zuletzt befristet bis zum 31. Dezember 2011 – bei der Verfügungsbeklagten als Fachassistentin für Arbeitnehmerleistungen nach dem Sozialgesetzbuch 3. Buch, Antragsservice und Bearbeitungsbüro auf der Tätigkeitsebene V zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.800,00 EUR beschäftigt. Mit der Änderungsvereinbarung vom 30. Mai 2011 wandelten die Parteien das Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis um. Auf das Arbeitsverhältnis ist aufgrund individualvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung anwendbar. Gemäß § 4 TV-BA „Umsetzung, Versetzung, …” können die Beschäftigten aus dienstlichen Gründen u. a. versetzt werden. Im Übrigen wird auf den Arbeitsvertrag vom 4. Februar 2010 (Bl. 12 ff. d. A.) Bezug genommen.
Unter dem 24. Juni 2011 hörte die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin zu einer geplanten Versetzung zur Agentur für Arbeit in … zum 1. August 2011 an. Die Verfügungsklägerin lehnte die Versetzung ab und machte neben der Fahrzeit, eine Gefährdung ihres Familienlebens durch die zeitweise Trennung von ihrem Ehemann sowie das Eigentum an einem Wohnhaus geltend. Mit Schreiben vom 14. Juli 2011 (Bl. 22 f. d. A.) versetzte die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin zum 1. August 2011 zur Agentur für Arbeit in …
Mit dem am 26. Juli 2011 beim Arbeitsgericht Dresden eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Verfügungsklägerin sich gegen die Versetzung gewandt. Sie hat geltend gemacht, das Vorgehen der Verfügungsbeklagten sei grob rechtswidrig, weil zum einen das Bedürfnis für ihre Beschäftigung nicht entfallen und zum anderen die soziale Auswahl lediglich auf die entfristeten Arbeitnehmer beschränkt worden sei.
Die Verfügungsklägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Verfügungsklägerin der unter dem 14.07.2011 ausgesprochenen Versetzung zur Agentur für Arbeit in … bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache nicht Folge leisten muss.
Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
den Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte hat entgegnet, die Versetzung sei rechtmäßig. Sie beruhe auf einem Personalüberhang im bisherigen Tätigkeitsbereich der Verfügungsklägerin und einem entsprechenden Bedarf in … Einer Sozialauswahl habe es mangels Ausspruch einer Kündigung nicht bedurft. Im Übrigen seien die von der Verfügungsklägerin vorgetragenen sozialen Aspekte ausreichend berücksichtigt worden.
Mit seinem der Verfügungsklägerin am 1. August 2011 zugestellten Urteil vom 29. Juli 2011 hat das Arbeitsgericht Dresden den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen. Es hat in den Entscheidungsgründen, auf welche im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 60 bis 62 d. A.), ausgeführt, es fehle bereits an dem Verfügungsgrund, weil die Verfügungsklägerin nicht dargelegt habe, dass sie ein gesteigertes Abwehrinteresse gegenüber der Versetzung habe und es insbesondere an wesentlichen Nachteilen bei einem Zuwarten auf eine erstinstanzliche Entscheidung in der Hauptsache fehle. Ein Verfügungsgrund folge auch nicht ausnahmsweise aus einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahme. Die vorgenommene Versetzung erweise sich jedenfalls gemäß §§ 315 BGB, 106 GewO nicht als offensichtlich unwirksam, weil dienstliche Gründe für eine Abordnung vorlägen und die Verfügungsbeklagte soziale Gesichtspunkte im Rahmen des billigen Ermessens ausreichend berücksichtigt habe.
Die Verfügungsklägerin nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug und trägt zur Begründung vor, das Urteil des Arbeitsgerichts sei unzutreffend. Die offensichtlichen Nachteile, die durch die Versetzung über eine Entfernung bis zu 300 km offensichtlich seien, seien gravierender als das Interesse der Verfügungsbeklagten auf ein Zuwarten der Durchführung der Versetzung nach dem Hauptsacheverfahren. Bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren sei zu berücksichtigen, dass die Verset...