Verfahrensgang
ArbG Dresden (Urteil vom 01.02.1996; Aktenzeichen 5 Ca 5455/95) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 01.02.1996 – 5 Ca 5455/95 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer auf die Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Ziff. 1 Abs. 5 Nr. 2 zum Einigungsvertrag (im folgenden: Abs. 5 EV) sowie auf § 54 Abs. 1 BAT-O gestützten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen mit Schreiben des Präsidenten des Oberschulamtes … vom 28.06.1995.
Die am 09.03.1941 geborene Klägerin war seit 1963 als Lehrerin im Staatlichen Schuldienst tätig, zuletzt an der 1. Mittelschule D. mit einer Vergütung gemäß Vergütungsgruppe III BAT-O (vgl. Änderungsvertrag vom 10.09.1991) in Höhe von zuletzt ca. DM 5.300,00 brutto.
Mit Erklärung vom 05.03.1991 (Bl. 25/26 d.A.) verneinte die Klägerin Fragen nach einer „Arbeit” für das MfS sowie nach Kontakten zum MfS.
Mit Einzelbericht vom 11.05.1995 des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (Bl. 27/28 d.A.) wurde der Beklagte darüber informiert, daß das MfS die Klägerin in der Kategorie „IMK/KW (Inoffizieller Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration/Konspirative Wohnung)” unter dem Decknamen „G.” in der Zeit vom „31.08.1987 bis offen” geführt hatte. Dem Einzelbericht beigefügt war eine Erklärung der Klägerin vom 31.08.1987, die sie zusammen mit ihrem Ehemann abgegeben hatte und die lautet (Bl. 29 d.A.):
„Wir erklären uns bereit, das Ministerium für Staatssicherheit bei der Erfüllung seiner spezifischen Aufgaben zu unterstützen.
Zu diesem Zweck stellen wir ein Zimmer zur zeitweiligen Nutzung zur Verfügung. Über die eingegangene Verbindung mit dem MfS sowie alle uns in diesem Zusammenhang bekanntwerdenden Probleme, wahren wir gegenüber jeder Person Stillschweigen. Zur Aufrechthaltung der Verbindung wird das Kennwort „G.” verwendet.”
Die Auswertung der MfS-Akten ergab nach Mitteilung des Bundesbeauftragten, daß laut Aufzeichnungen des Führungsoffiziers das Zimmer der Wohnung der Klägerin im Jahre 1988 von einem IMS „S.” und einem GMS „K.” genutzt worden sei. Ferner soll die Klägerin gemäß Beleg vom 10.03.1988 (Bl. 30 d.A.) anläßlich ihres Geburtstages ein Präsent im Wert von 34,60 M erhalten haben.
Die Klägerin wurde zu diesen Mitteilungen und Hinweisen am 14.06.1995 gehört (siehe Gesprächsprotokoll Bl. 31 bis 33 d.A.).
Mit Schreiben vom 22.06.1995 (Bl. 34/35 d.A.) teilte das Oberschulamt D. dem Bezirkspersonalrat GS/MS/FS die Absicht einer außerordentlichen Kündigung mit und fügte den Einzelbericht des Bundesbeauftragten nebst den Anlagen, den Angaben der Klägerin in der Erklärung vom 05.03.1991 sowie das Gesprächsprotokoll vom 14.06.1995 bei.
Der Bezirkspersonalrat erhob mit Schreiben vom 26.06.1995 (Bl. 36 d.A.) Bedenken gegen die außerordentliche Kündigung, da die Bereitschaftserklärung der Klägerin zur Bereitstellung eines Raumes ihrer Wohnung unter Ausnutzung der gehobenen Stellung ihres Mannes zustande gekommen sei, eine finale Mitarbeit nach Aktenlage nicht nachgewiesen sei und die Klägerin mit 54 Jahren auf dem Arbeitsmarkt chancenlos wäre.
Mit Schreiben vom 28.06.1995 (Bl. 8/9 d.A.), der Klägerin am 05.07.1995 zugegangen, kündigte der Präsident des Oberschulamtes D. das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich unter Berufung auf Abs. 5 EV und § 54 Abs. 1 BAT-O wegen Tätigkeit der Klägerin für das MfS und wahrheitswidriger Angaben hierzu.
Gegen diese Kündigung hat die Klägerin mit am 17.07.1995 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben und vorgebracht, sie sei nicht bewußt final für das MfS tätig geworden, habe kein Präsent erhalten und Fragen nach einer Tätigkeit für das MfS nicht bewußt wahrheitswidrig beantwortet. In einer gelegentlichen Zurverfügungstellung eines Zimmers habe die Klägerin keine Zusammenarbeit gesehen. Sie habe die Bereitschaftserklärung für das MfS nur unterschrieben, um ihrem Ehemann, der in einem sicherheitsrelevanten Bereich gearbeitet hätte und an den das MfS herangetreten sei, nicht zu schaden. Mit Leuten vom MfS habe die Klägerin nicht gesprochen; sie habe lediglich dem Wunsch ihres Mannes, nach vergeblichen Versuchen, ihn von der Sache abzubringen, schweren Herzens entsprochen.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 28.06.1995 nicht wirksam beendet worden ist,
- den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin über den 05.07.1995 hinaus als Lehrerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat entgegnet, die Klägerin habe das MfS durch Bereitstellen eines Zimmers unterstützt. Ihre unzutreffenden Angaben in der Erklärung vom 05.03.1991 sowie auch im Antrag auf Anerkennung von Beschäftigungszeiten hätten das Vertrauen zum Beklag...