Verfahrensgang
ArbG Bautzen (Urteil vom 16.07.1992; Aktenzeichen 8 Ca 4/92) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 16. Juli 1992 – 8 Ca 4/92 –
abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die 48jährige Klägerin ist ausgebildete Lehrerin für untere Klassen. Im Jahre 1971 erwarb sie einen weiteren Abschluß als Diplom-Lehrerin für Deutsch. Sie ist seit 1963 im Schuldienst tätig und wird seit 1974 an der 5. Polytechnischen Oberschule in K. eingesetzt. In letzter Zeit erteilte sie vorwiegend Deutschunterricht.
Die Klägerin war 1973 bis 1974 Vertrauensfrau der Gewerkschaft und von August 1978 bis 1989 ehrenamtlicher Parteisekretär der SED an ihrer Schule. Dort waren zuletzt von 54 Lehrern 20 Mitglied der SED. Die Funktion als ehrenamtlicher Parteisekretär übte die Klägerin in den Jahren 1986 bis 1987 nicht aus, weil sie in dieser Zeit an der Bezirksparteischule in D. studierte.
Mit Schreiben vom 20. März 1992, der Klägerin zugegangen am 27. März 1992, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1992 wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin.
Die Klägerin hat vorgetragen, als ehrenamtlicher Parteisekretär sei sie Vorsitzende der Betriebsparteiorganisation der SED innerhalb des Betriebes „Schule” gewesen. Die Betriebsparteiorganisationen seien mit 54.000 Einheiten die kleinste Parteiorganisation im Rahmen der Gesamtparteiorganisation gewesen, die selbst keinen Einfluß und keine Entscheidungskompetenz gehabt hätten. Jeder Parteisekretär habe darüber hinaus auch unter Berücksichtigung der politischen Vorgaben der SED erheblichen Handlungsspielraum gehabt, seine Funktion auszuüben. Sie habe den Direktor ihrer Schule weder kontrolliert noch auf Einhaltung der Parteilinie überwacht. Auch die politische Bildung der Schüler und Lehrer habe sie nicht verantwortlich in ihrer Punktion als Parteisekretär durchgesetzt. Zweifel an ihrer Verfassungstreue seien nicht begründet. Für ihre politische Glaubwürdigkeit spreche, daß ihr seit 1. Januar 1990 erteilter Unterricht als Lehrer im Schüler- und Kollegenkreis unbeanstandet hinsichtlich politischer Äußerungen verlaufen sei. Im übrigen sei der Personalrat vor der Kündigung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Ferner habe das Land die weitergeltende Kündigungsfrist des § 9 der Arbeitsordnung für Pädagogische Kräfte nicht beachtet.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 20. März 1992 nicht beendet wird, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht,
ferner – für den Fall, daß die Klägerin mit dem Feststellungsantrag obsiegt –,
den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, als Parteisekretär sei die Klägerin Mitglied der Schulleitung gewesen. Sie habe Mitsprache bei jeder politischen Entscheidung des Direktors gehabt. Sie habe den Direktor überwacht und kontrolliert, damit dieser auch die vorgegebenen politischen Ziele realisiere. Ferner habe sie Mitsprachen bei Prämiierungen, Auszeichnungen und Beförderungen gehabt. Daneben habe es zu ihren Aufgaben gehört, die Parteiversammlungen zu leiten, in denen ständig das politische Klima der Schule besprochen worden sei. Darüber hinaus sei sie verantwortlich gewesen für die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer. Sie sei mitverantwortlich gewesen für die politischen Inhalte der Pionierversammlungen, FDJ-Nachmittage sowie für den Wehrunterricht. Sie habe der Kreisleitung der SED monatlich über das politische Klima an der Schule berichtet. Ferner habe sie über den Direktor Disziplinarverfahren gegen Oppositionelle einleiten können. Ebenso habe der Parteisekretär mitgewirkt, wenn es darum gegangen sei, über Anträge bezüglich Besuchsreisen in die damalige Bundesrepublik Deutschland zu entscheiden. Schließlich habe sich der Parteisekretär an der Werbung für militärischen Berufsnachwuchs beteiligt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, weil der Beklagte keinerlei Fakten vorgetragen habe, die den Schluß rechtfertigten, daß die Klägerin nicht für die Grundprinzipien des Grundgesetzes eintreten werde.
Gegen das dem Beklagten am 13. August 1992 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat dieser am 14. September 1992, einem Montag, Berufung eingelegt und diese am 14. Oktober 1992 begründet.
Der Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe verkannt, daß sich die Klägerin langjährig für ein realexistierendes System, das in kontradiktorischer Gegensätzlichkeit zu dem der Bundesrepublik Deutschland gestanden habe, aktiv und freiwillig eingesetzt und unverhohlen dazu bekannt habe. Das mache sie für den Lehrerberuf ungeeignet.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 16. Juli 1992 – 8 Ca 4/92 – abzuändern un...