Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhaltensbedingte ordentliche Kündigung eines Zement-Mischmeisters bei beharrlicher Missachtung der Pflicht zum regelmäßigen Tragen von Schutzkleidung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch bei einer beharrlichen Weigerung, regelmäßig die zur persönlichen Schutzausrüstung gehörenden Kleidungsstücke anzulegen, kann das Interesse des Arbeitnehmers an der Einhaltung der Kündigungsfrist überwiegen, wenn aufgrund dieses Verhaltens konkrete Gefahren nicht eingetreten sind und sich das Verhalten auch im Übrigen nicht erkennbar auf den betrieblichen Ablauf ausgewirkt hat.

2. Auch eine frühere Kündigung kann die Funktion einer Abmahnung erfüllen, wenn der Kündigungssachverhalt feststeht und die Kündigung aus anderen Gründen für sozialwidrig erachtet worden ist.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1 S. 1 Alt. 2; BGB § 314 Abs. 2, § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Zwickau (Aktenzeichen 8 Ca 1007/15)

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 15.07.2015 noch durch die ordentliche Kündigung vom 15.06.2015 aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 15.06.2015 sowie die der weiteren fristlosen, hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 15.07.2015.

Der am ...1958 geborene Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger, die die Herstellung von Zement betreibt und in der Regel mehr als zehn Mitarbeiter vollzeitig beschäftigt, seit 07.04.1992 als Mischmeister beschäftigt. Die einzelnen Arbeitsbedingungen wurden zunächst mit dem Arbeitsvertrag vom 07.04.1992 (Bl. 5 ff. d. A.) vereinbart. Der Kläger verdiente zuletzt 2.268,19 € brutto.

Mit Schreiben vom 15.06.2015 (Bl. 10 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.01.2016. Der Kläger erhielt das Kündigungsschreiben am 15.06.2015.

Der Kündigung ging folgender Sachverhalt voraus:

Am 15.06.2015 traf der Gebietsleiter ... auf dem Gelände der Mischanlage den Kläger ohne Warnweste an. Ebenfalls am 15.06.2015, gegen 16:00 Uhr, fand deshalb ein Personalgespräch statt, an dem neben dem Kläger u. a. die Zeugen ... und ... teilnahmen.

Mit Schreiben vom 15.07.2015 (Bl. 20 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 29.02.2016.

Zuvor, am 15.07.2015, erfolgte durch den stellvertretenden technischen Leiter ... auf dem Gelände der Mischanlage eine Einweisung in Bezug auf einen neuen Radlader. Beim Eintreffen von Herrn ... trug der Kläger weder eine Warnweste noch Arbeitssicherheitsschuhe.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis bereits mit Schreiben vom 25.02.2015 zum 31.03.2015 (Bl. 38 d. A.), nach Ausspruch der Abmahnung vom 21.07.2014 (Bl. 36 f. d. A.), gekündigt. Auf Betreiben des Klägers kam es am 16.03.2015 zu einem Personalgespräch, in dem die Kritik und die Probleme der Vergangenheit erörtert worden sind. Die Parteien unterzeichneten das "Protokoll Mitarbeitergespräch" vom 16.03.2015 (Bl. 39 f. d. A.). Mit Schreiben vom 18.03.2015 (Bl. 41 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich fortzusetzen. Die Beklagte regelte mit einer Betriebsordnung (Bl. 42 ff. d. A.), der Vereinbarung über die Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes (Bl. 45 d. A.) und der Betriebsanweisung "Tragen der persönlichen Schutzausrüstung (PSA)" vom 26.03.2015 (Bl. 46 d. A.) Arbeitsschutzvorschriften.

Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, dass die ordentliche Kündigung vom 15.06.2015 sozial ungerechtfertigt sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich folgende Klageanträge gestellt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 15.06.2015 aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 15.07.2015 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt sei. Der Kläger sei am 15.06.2015 gegen 12:00 Uhr bei einem routinemäßigen Besuch des Gebietsleiters ... auf dem Gelände der Mischanlage ohne reflektierende Warnweste angetroffen worden. Der Kläger sei aufgefordert worden, sich unverzüglich gemäß der Betriebsanweisung zur persönlichen Schutzausrüstung zu kleiden. Daraufhin habe der Kläger eine Diskussion über den Sinn des Tragens der Warnweste bei Tageslicht begonnen. Herr ... habe auf eine Umsetzung der Sicherheitsvorschrift bestanden. Widerwillig habe der Kläger die Anweisung letztlich befolgt. Noch am 15.06.2015 gegen 16:00 Uhr sei aufgrund der uneinsichtigen Haltung des Klägers ein Personalgespräch geführt worden. Der Kläger habe hierbei betont, dass...

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