Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorstellungsgespräch für schwerbehinderte Menschen bei Bewerbungen. Kein Vorstellungsgespräch bei offensichtlich fehlender fachlicher Eignung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bewirbt sich ein schwerbehinderter Mensch bei einem öffentlichen Arbeitgeber um eine zu besetzende Stelle, so hat ihn dieser zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Geschieht dies nicht, besteht grundsätzlich die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung.
2. Eine Einladung zum Vorstellungsgespräch ist entbehrlich, wenn dem schwerbehinderten Menschen die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich fehlt. Dazu ist im öffentlichen Dienst auf die veröffentlichte Stellenbeschreibung abzustellen. Offensichtlich fachlich nicht geeignet ist, wer unzweifelhaft nicht dem Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht.
Normenkette
SGB IX § 164 Abs. 2 S. 1, § 165 Sätze 2, 4; AGG § 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, §§ 13, 15 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Entscheidung vom 28.11.2018; Aktenzeichen 1 Ca 1034/18) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 28.11.2018 - 1 Ca 1034/18 - wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund seiner Schwerbehinderteneigenschaft hat.
Der am ...1980 geborene Kläger legte im Februar 2014 das Erste Staatsexamen ab. Am 05.12.2016 bestand der Kläger das Zweite Juristische Staatsexamen. Beide Prüfungen bestand der Kläger mit der Note "befriedigend".
Von 2002 bis 2008 war der Kläger als "TV-Redakteur, Künstlermanagement, Journalist" tätig. Danach arbeitete er bis 2015 als Immobilienmakler.
Von 2004 bis 2007 absolvierte der Kläger eine Berufsausbildung zum Industriekaufmann.
Von Oktober 2006 bis März 2010 studierte der Kläger an der Universität ... Rechtswissenschaften.
Im Rahmen eines Weiterbildungsstudiums von Juni 2014 bis Oktober 2016 an der Fernuniversität ... erwarb der Kläger den Abschluss "Master of Laws".
Am 01.06.2014 begann der Kläger das Rechtsreferendariat beim Land ... Die Verwaltungsstation absolvierte der Kläger bei der Stadt ...
Seit 04.01.2017 betreibt der Kläger eine Rechtsanwaltskanzlei.
Der Kläger ist schwerbehindert mit dem Grad der Behinderung von 50.
Ab 01.04.2017 war der Kläger als freiberuflicher Rechtsanwalt bei der ... tätig.
Vom 01.09.2017 bis 28.02.2018 war der Kläger in der Rechtsanwaltskanzlei ... tätig.
Dem Kläger wurde das Arbeitszeugnis vom 28.02.2018 (Bl. 78 f. d. A.) erteilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Lebenslauf des Klägers Bezug genommen (Bl. 26 f. d. A.).
Im November 2017 veröffentlichte der Beklagte über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit ein Stellenangebot. Danach sollte zum 01.02.2018 ein "Arbeitsplatz als Führungskraft" besetzt werden. Nach der Stellenbeschreibung sollte die Stelle als "Amtsleiter/in Rechts- und Kommunalamt" beim Beklagten besetzt werden.
Das Aufgabengebiet sollte die Leitung des Rechts- und Kommunalamtes mit derzeit ca. 20 Bediensteten umfassen. Folgende Anforderungen wurden genannt:
- abgeschlossenes weiterführendes wissenschaftliches Hochschulstudium (Master oder gleichwertiger Abschluss) in der Fachrichtung Rechtswissenschaften bzw. 2. Juristisches Staatsexamen (Volljurist/in),
- mehrjährige einschlägige Berufserfahrung,
- umfassende Rechtskenntnisse in den Aufgabenbereichen, insbesondere auch der kommunalen Doppik,
- mehrjährige einschlägige Führungserfahrung vorzugsweise in einer vergleichbaren Führungsposition hinsichtlich der Führungsspanne und des Aufgabenbereichs im kommunalen Bereich,
- Führungskompetenzen, insbesondere zielorientierte/kooperative Leitung,
- ausgeprägte Fähigkeiten zum analytischen, konzeptionellen und strategischen Handeln und Denken,
- Bereitschaft zur Tätigkeit auch außerhalb der regulären Arbeitszeit (im Bedarfsfall),
- Pkw-Führerschein und die Bereitschaft zur Nutzung des privaten Pkws für dienstliche Zwecke, sofern kein Dienst-Pkw zur Verfügung steht und die Inanspruchnahme von öffentlichen Verkehrsmitteln unzweckmäßig ist.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Stellenangebot des Beklagten Bezug genommen (Bl. 21 ff. d. A.).
Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 11.11.2017 (Bl. 25 d. A.) auf die ausgeschriebene Stelle. Dem Schreiben waren beigefügt neben dem Lebenslauf u. a. Zeugnisse über die erlangten Bildungsabschlüsse sowie auch Stationszeugnisse aus der Referendarzeit (Bl. 28 ff. d. A.).
Mit Schreiben vom 11.04.2018 (Bl. 73 d. A.) teilte der Beklagte mit, dass er sich für einen anderen Bewerber entschieden habe.
Mit Schreiben vom 14.04.2018 (Bl. 74 ff. d. A.) machte der Kläger Ansprüche auf Schadensersatz geltend.
Die Personalsachbearbeiterin Frau ... hatte die Aufgabe, die Daten der 24 Stellenbewerber tabellarisch zu erfassen.
Der Kläger hat erstinstanzl...