Verfahrensgang

ArbG Dresden (Urteil vom 18.04.1994; Aktenzeichen 12 Ca 884/94)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 18.04.1994 – 12 Ca 884/94 – wird auf Kosten der Beklagten

zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger fordert eine rechnerisch unstreitige Jahressonderzahlung für das Jahr 1993 von 1.164,75 DM aufgrund eines Tarifvertrages über Jahressonderzahlungen zwischen dem Verband der Textilindustrie für Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt e.V., der Textil- und Bekleidungsindustrie e.V. und der Gewerkschaft Textil und Bekleidung vom 11.10.1991 (Bl. 6–8 d. A.).

Der 47jährige Kläger war seit dem 01.09.1964 bei der Beklagten als Schlosser für ein Arbeitsentgelt von zuletzt 12,57 DM brutto je Stunde beschäftigt. Diese Vergütung ist im Arbeitsvertrag vom 19.08.1993 festgelegt worden, der den zuvor geltenden Arbeitsvertrag vom 01.02.1991 abgelöst hat.

Der Kläger ist Gewerkschaftsmitglied, die Beklagte war im Deutschen Verband der Kunststoffbahnenindustrie e.V. organisiert, der mit den tarifschließenden Arbeitgeberverbänden der Textilindustrie eine Tarifgemeinschaft bildete. Der Tarifvertrag über Jahressonderzahlungen, der am 11.10.1991 in Kraft trat, war erstmals zum 30.04.1993 kündbar. Der Deutsche Verband der Kunststoffbahnenindustrie löste sich nach einem Beschluß einer Mitgliederversammlung vom 09.12.1992 zum 31.12.1992 auf.

Die Beklagte trat danach keinem anderen Arbeitgeberverband bei. Eine ausdrückliche Kündigung des Tarifvertrages über Jahrssonderzahlungen durch die Beklagte erfolgte nicht.

§ 2 des Tarifvertrages über Jahressonderzahlungen vom 11.10.1991 begründete für den Arbeitnehmer einen Anspruch auf Jahressonderzahlungen in Höhe von 60 % seines durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes. Für den Kläger hätte dies einen Betrag von 1.164,75 DM ergeben, der gemäß Tarifvertrag mit der Abrechnung für den Monat November 1993 zu zahlen gewesen wäre. Am 25.12.1993 forderte der Kläger zur Zahlung auf. Die Beklagte verweigerte die Zahlung.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Meinung vertreten, daß ihm auch noch nach Auflösung des Arbeitgeberverbandes der Beklagten eine Sonderzahlung aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Tarifvertrages über Jahressonderzahlungen zustehe.

Der Kläger hat beantragt.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.164,75 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 10.12.1993 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, daß dem Kläger kein Anspruch auf Jahressonderzahlung zustehe, da bei Auflösung der Tarifvertragspartei auch die bestehenden Tarifverträge automatisch ohne Kündigung mit der ersten Kündigungsmöglichkeit endeten. Der Tarifvertrag über Jahressonderzahlungen sei daher automatisch zum 31. März 1993 beendet worden.

Für den Fall aber, daß von einer Weitergeltung des Tarifvertrages ausgegangen werde, scheitere der Anspruch des Klägers daran, daß der Arbeitsvertrag vom 19.08.1993 eine andere Abmachung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG darstelle. Auf der Betriebsversammlung, bei der die neuen Arbeitsverträge angeboten worden seien, sei die Auflösung des Arbeitgeberverbandes mitgeteilt worden und es sei auch ausdrücklich erklärt worden, daß die alten Tarifverträge nicht mehr gelten würden. Durch die neuen Arbeitsverträge hätten nach Auflösung des Verbandes die Arbeitsbedingungen für alle Beteiligten überschaubar werden sollen.

Das Arbeitsgericht Dresden hat der Klage mit Urteil vom 18.04.1994 – 12 Ca 884/94 – stattgegeben. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen (Bl. 66 bis 68 d.A.).

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.06.1994 hat die Beklagte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden Berufung eingelegt; die Berufungsschrift ging am 20.06.1994 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht ein. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.08.1994 hat die Beklagte mit einem am 04.08.1994 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz die Berufung begründet.

Die Beklagte greift das erstinstanzliche Urteil im wesentlichen mit Rechtsausführungen an. Sie ist der Auffassung, daß durch den Arbeitsvertrag vom 19.08.1993, der keinen Bezug auf die tariflichen Bestimmungen enthält, keine weitere Anwendung des Tarifvertrages über Jahressonderzahlungen in Betracht komme. Es liege eine „andere Abmachung” im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG vor. § 4 Abs. 5 TVG greife auch deshalb ein, weil der streitige Tarifvertrag nicht von einem Verband abgeschlossen sei, sondern auf seiten der Arbeitgeber durch eine Mehrheit von Verbänden, von denen einer der später aufgelöste Deutsche Verband der Kunststoffbahnenindustrie e.V. gewesen sei. Im übrigen sei es auch unzutreffend, daß auf der Betriebsversammlung von ihr mitgeteilt worden sei, daß der Tarifvertrag nicht gelte; eine solche Äußerung sei vielmehr von seiten der Gewerkschaftsvertreterin erfolgt. Soweit in späteren Abrechnungen noch ein Tariflohn ausgewiesen werde, handele e...

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