Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Verfügungsgrund einer sog. Befriedigungsverfügung, mit der eine Gewerkschaft das Unterlassen der Anwendung untertariflicher Vereinbarungen (betriebliches „Bündnis für Arbeit”) zu erzwingen sucht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ausbringung einer einstweiligen Verfügung einer Gewerkschaft gegen einen Arbeitgeber zur Abwehr von Eingriffen in die kollektive Koalitionsfreiheit entsprechend § 1004 BGB ist zulässig.
2. Zu den Anforderungen an den Verfügungsgrund einer sog. Befriedigungsverfügung, mit der eine Gewerkschaft das Unterlassen der Anwendung untertariflicher Vereinbarungen (betriebliches „Bündnis für Arbeit”) zu erzwingen sucht.
Normenkette
ZPO § 940
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 28. Juni 2000 – 7 Ga 7004/00 –
abgeändert:
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Parteien streiten auf den beantragten Erlaß einer einstweiligen Verfügung darüber, ob die Verfügungsbeklagte die Anwendung untertariflicher Vereinbarungen zu unterlassen hat.
Wegen des Tatbestands in dem ersten Rechtszug wird aufgrund der Regelung in § 543 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des von der klagenden Gewerkschaft angegangenen Arbeitsgerichts Bautzen verwiesen. Bereits daraus ergibt sich, daß zwischen den Parteien sowohl die Voraussetzungen eines Verfügungsanspruchs als auch diejenigen eines Verfügungsgrundes strittig waren (und sind). Strittig ist dabei insbesondere, ob die Verfügungsbeklagte noch Mitglied der Tarifvertragspartei ist, von deren abgeschlossenen Tarifverträgen seitens der Verfügungsbeklagten abgewichen sein soll. Strittig war und ist, ob die Abweichungen mit Blick auf eine Beschäftigungsgarantie Änderungen der tariflichen Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer enthalten.
Zum Verfügungsgrund hat die Verfügungsklägerin vorgetragen:
Die Verfügungsbeklagte versuche, mit der Einführung der Vereinbarung vom 31.05.2000 nicht nur die bestehende Tarifbindung zu umgehen und damit die Arbeitsbedingungen der tarifgebundenen Arbeitnehmer rechtswidrig zu verändern, sondern sie verfolge auch den Zweck, durch die Schaffung von vollendeten Tatsachen das Recht der Verfügungsklägerin, für ihre Mitglieder einen Tarifvertrag abzuschließen, faktisch zu unterlaufen. Durch den von ihr, der Verfügungsbeklagten, erzeugten psychischen Druck auf alle Arbeitnehmer zur Unterzeichnung der Vereinbarung werde die kollektive Koalitionsfreiheit und insbesondere die Koalitionsbetätigungsfreiheit von ihr, der Verfügungsklägerin, nicht nur massiv beeinträchtigt, sondern von der Verfügungsbeklagten faktisch außer Kraft gesetzt. Ein psychischer Druck werde auf ihre, der Verfügungsklägerin, Mitglieder u. a. dadurch erzeugt, daß die Verfügungsbeklagte bei einer Unterzeichnung von mindestens 80 % der betroffenen Arbeitnehmer eine Arbeitsplatzgarantie und den damit verbundenen Verzicht auf Kündigungen aus betrieblichen Gründen suggeriere. Dabei werde nicht beachtet, daß der Inhalt der Verzichtserklärung nur von betrieblichen Gründen ausgehe, sondern auch, daß die Arbeitsplatzgarantie letztendlich nach dem Inhalt der Vereinbarung nur eine Verlängerung der individuellen Kündigungsfrist darstelle, da Kündigungen danach vor dem 30.04.2003 nicht wirksam werden sollen.
Wenn alle bzw. der überwiegende Teil der Arbeitnehmer der Verfügungsbeklagten die Vereinbarung unterzeichneten, würden die sich davon geänderten Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer faktisch manifestieren und nicht mehr ändern lassen, weil diese Arbeitnehmer vorrangig auf die in der Vereinbarung zugesicherte Arbeitsplatzgarantie vertrauten, ohne daß diese einen ausreichenden Schutz vor der Stillegung des Betriebes gewährleiste.
Mit ihrer Maßnahme greife die Verfügungsbeklagte massiv in das verfassungsrechtlich geschützte Recht der Koalitionen ein und verhindere somit faktisch das ihr, der Verfügungsklägerin, zustehende Recht, normativ geltende Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Diejenigen Arbeitnehmer, die die Vereinbarung unterzeichneten, würden erfahrungsgemäß nicht mehr bereit sein, die Verfügungsklägerin bei evtl. Kampfmaßnahmen zu unterstützen.
Zur Glaubhaftmachung hat sich die Verfügungsklägerin auf eidesstattliche Versicherungen der Frau R. I., Gewerkschaftssekretärin bei der Verwaltungsstelle … der Verfügungsklägerin, bezogen (Bl. 58 bis 62 d. A.), datierend vom 15.06.2000.
Die Verfügungsklägerin hat beantragt,
der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zu unterlassen, die in den Arbeitsverträgen ihrer Mitarbeiter vom 31.05.2000 einzelvertraglich vereinbarten Regelungen längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens in der nachstehenden Form anzuwenden:
Ziffer 2 Satz 2:
„Die Regelarbeitszeit beträgt jedoch rückwirkend zum 01.01.2000 40 Stunden pro Woche.”
Ziffer 3:
„Urlaubs- und Weihnachtsgratifikationen/Sond...