Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründete Berufung gegen zweites Versäumnisurteil nach Einspruch gegen Vollstreckungsbescheid bei unzureichender Entkräftung des Beweiswertes einer Postzustellungsurkunde über die Ersatzzustellung der Terminsladung
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. d ArbGG kann Berufung gegen ein Versäumnisurteil eingelegt werden, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung (oder auch die Anschlussberufung) darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen hat.
2. Unabhängig davon und selbständig tragend ist die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil auch mit der Behauptung statthaft, dass die Voraussetzungen für eine Einspruchsverwerfung deshalb nicht vorgelegen haben, weil es für den Erlass eines Versäumnisurteils an der Schlüssigkeit der Klage gefehlt hat (§ 700 Abs. 6 Hs. 1 ZPO mit § 331 Abs. 1 und § 331 Abs. 2 Hs. 1ZPO).
3. Die Zustellung der Terminsladung kann durch eine Postzustellungsurkunde nachgewiesen werden; diese Urkunde erbringt den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsache des Inhalts, dass der genannte Zusteller des genannten Postunternehmens das Schriftstück in den Briefkasten der Empfängerin eingelegt hat.
4. Die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde als öffentlicher Urkunde ergibt sich aus § 418 Abs. 1 ZPO; gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 ZPO liegt eine öffentliche Urkunde auch dann vor, wenn mit der Zustellung ein nach § 33 Abs. 1 PostG beliehenes Unternehmen (und nicht notwendigerweise die Post selbst) beauftragt ist.
5. Für den Beweis der Unrichtigkeit (§ 418 Abs. 2 ZPO) reicht die Behauptung nicht aus, dass das Schriftstück nicht in Empfang genommen oder nicht vorgefunden wurde; für die Wirksamkeit der Zustellung kommt es im Falle einer Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO nicht darauf an, ob und wann das Dokument entnommen und ob es tatsächlich zur Kenntnis genommen wurde.
6. Der Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen erfordert den vollen Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehens, der damit ein Fehlverhalten des Zustellers und eine objektive Falschbeurkundung belegt; notwendig ist der volle Beweis in der Weise, dass die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr niedergelegten Tatsachen ausgeschlossen ist.
7. Durch eine bloße Glaubhaftmachung gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 ZPO wird nichts bewiesen und schon gar nicht der Unrichtigkeitsbeweis im Sinne des § 418 Abs. 2 ZPO angetreten oder geführt.
Normenkette
ArbGG § 64 Abs. 2 Buchst. d; PostG § 33 Abs. 1; ZPO § 168 Abs. 1 S. 2, § 182 Abs. 1 S. 2, § 236 Abs. 2 S. 1 Hs. 2, § 331 Abs. 1, 2 Hs. 1, §§ 345-346, 418 Abs. 1-2, § 516 Abs. 1, § 700 Abs. 6 Hs. 1
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Entscheidung vom 22.05.2014; Aktenzeichen 7 Ca 419/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Zweite Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 22.05.2014 - 7 Ca 419/14 - wird auf deren Kosten
z u r ü c k g e w i e s e n .
Revisionszulassung: keine
Tatbestand
Die Parteien streiten aus übergegangenem Recht im Wege der Drittschuldnerklage.
Die Streitverkündete war bei der Beklagten beschäftigt.
Mit Mahnbescheid hat die Klägerin gegen die Beklagte den aufgrund Pfändungsüberweisungsbeschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 05.07.2012 (Az. 444 M 52049/12) gepfändeten und übergegangenen Anspruch der Streitverkündeten gegen die Beklagte auf Zahlung von Arbeitsentgelt in Höhe von 4.701,21 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jenem Betrag seit dem 09.11.2013 verfolgt.
Auf der Grundlage des Mahnbescheids hat das Arbeitsgericht Leipzig den auf nämliche Forderung lautenden Vollstreckungsbescheid vom 27.01.2014 erlassen.
Gegen den ihr am 30.01.2014 zugestellten Vollstreckungsbescheid hat die Beklagte am 06.02.2014 Einspruch eingelegt.
Beigefügt war eine E-Mail-Zuschrift mit Sendedatum vom 13.07.2012 des Inhalts, wonach aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 04.07.2012 (nicht: wie in Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid angegeben: vom 05.07.2012) zum Az. 444 M 52049/12 "derzeit (Anmerkung der Kammer: fettgedruckt auch in der Urschrift) keine Rechte geltend gemacht werden".
Durch Verfügung des Vorsitzenden des Arbeitsgerichts Leipzig vom 03.03.2014 wurde Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache bestimmt auf Donnerstag, den 22.05.2014 um 10:30 Uhr.
Eine Aufforderung der Geschäftsstelle an die Klägerin, den Anspruch binnen zwei Wochen in einer der Klageschrift entsprechenden Form zu begründen, war bis dahin nicht erfolgt.
Allerdings ordnet die Verfügung vom 03.03.2014 u. a. an, dass die Klägerin (nach einer der Beklagten aufgegebenen Stellungnahme bis 03.04.2014) "dann" bis spätestens 03.05.2014 abschließend ebenfalls schriftlich vortragen könne.
Zugestellt wurde die Verfügung der Klägerin unter dem 10.03.2014.
Am 20.03.2014 ist deren Anspruchsbegründung mit Schriftsatz vom 19.03.2014 bei dem Arbei...