Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinderatsbeschluß, wonach aufgrund „Personalüberschusses” zu kündigen sei, für sich keine tragfähige Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung im öffentlichen Dienst (Abgrenzung zu Stelleneinsparungen im Haushaltsplan). Erfordernis eines auf den Stellenbedarf zugeschnittenen Konzeptes. Kündigung. betriebsbedingt. öffentlicher Dienst. Kündigungsgrund. Gemeinderatsbeschluß. Konzept. Stellenbedarf

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber hat im Kündigungsschutzprozess konkret vorzutragen, wie sich die Verringerung der Produktion oder einer Dienstleistung auf die Arbeitsmenge auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entsteht.

2. Ein Gemeinderatsbeschluss, der lediglich vorsieht dass aufgrund „Personalüberschusses” zu kündigen sei, aber keine Stelleneinsparung in einem Haushaltsplan darstellt, weder Haushaltssatzung noch Stellenplan ändert, und sich auch nicht auf nach sachlichen Merkmalen bezeichnete Stellen bezieht, stellt für sich genommen keine tragfähige Rechtfertigung für eine Kündigung aus betrieblichen Gründen im öffentlichen Dienst dar.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1, 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bautzen (Urteil vom 31.01.2002; Aktenzeichen 2 Ca 2361/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 31. Januar 2002 – 2 Ca 2361/01 –

a b g e ä n d e r t :

Es wird festgestellt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 28. Juni 2001, zugegangen am selben Tage, sozial ungerechtfertigt ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Revisionszulassung: keine.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch in dem Berufungsverfahren auf die Kündigungsschutzklage der im Ersten Rechtszug unterlegenen Klägerin darüber, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der ihr am selben Tage zugegangenen Änderungskündigung vom 28.06.2001 sozial ungerechtfertigt ist.

Von der erneuten Darstellung des Tatbestands wird aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG n. F. abgesehen. Das Arbeitsgericht hat das tatsächliche Vorbringen beider Parteien sowie ihre Argumente vollständig und richtig wiedergegeben. In Sonderheit sind Tatbestandsrügen nicht erhoben worden. Die Sache steht und fällt damit, ob der folgende Beschluß des Gemeinderats der Beklagten vom 20.06.2001 ein dringendes betriebliches Erfordernis für den Ausspruch der streitgegenständlichen Änderungskündigung darstellt:

„Der Gemeinderat beschließt in bezug auf die erforderliche Reduzierung des Kita Personals nachfolgende Vorgehensweise:

Aufgrund des Personalüberschusses von 2,2 VbE in den Kindertagesstätten … und … erhalten alle Erzieherinnen eine Änderungskündigung mit Wirkung vom 01.01.2001 auf 30 Std/Woche d. H. 0,75 VbE.”

 

Entscheidungsgründe

A.

Die zulässige Berufung ist begründet. Denn es ist festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 28.06.2001, zugegangen am selben Tag, sozial ungerechtfertigt ist. Denn sie ist nicht im Rechtssinne durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer (unveränderten) Weiterbeschäftigung der Klägerin in einer Kindertagesstätte der Beklagten entgegenstehen, bedingt (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG).

I.

Es ist anerkannt, daß Stelleneinsparungen in einem Haushaltsplan einer Körperschaft des öffentlichen Rechts – etwa im Zusammenhang mit der Schließung einer Einrichtung oder zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung oder zum Zwecke der Anpassung an zurückgehenden Bedarf – eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen können. Wenn beispielsweise durch Haushaltssatzung bestimmte, nach sachlichen Merkmalen bezeichnete Stellen für Betriebe oder Verwaltungen des öffentlichen Rechts gestrichen oder im Zuge allgemeiner Einsparungsmaßnahmen – etwa wegen fehlender Finanzierbarkeit – organisatorische oder technische Veränderungen durchgeführt werden, die dazu führen, daß bestimmte Arbeitsplätze fortfallen, ist darin grundsätzlich ein betriebliches Erfordernis i. S. der Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu sehen (vgl. BAG [GS] vom 28.11.1956 – GS 3/56 –, AP Nr. 20 zu § 1 KSchG, seither ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. weiter: BAG vom 04.06.1957 – 3 AZR 49/55 –, vom 21.05.1957 – 3 AZR 49/55 –, vom 21.05.1975 – 3 AZR 79/55 –, AP Nrn. 27 und 31 zu § 1 KSchG; BAG vom 03.05.1978 – 4 AZR 698/76 –, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 8). Eine derartige Entscheidung ist von den Gerichten für Arbeitssachen – vorbehaltlich einer Mißbrauchskontrolle – grundsätzlich als gegeben hinzunehmen (vgl. BAG [GS] vom 28.11.1956, a. a. O., sowie BAG vom 03.05.1978, a. a. O.). Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht erst jüngst bestätigt (vom 18.11.1999 – 2 AZR 77/99 –, AP Nr. 55 zu § 2 KSchG 1969).

Sämtliche genannten Voraussetzungen erfüllt der Gemeinderatsbeschluß, auf den die Beklagte sich zur Begründung der Kündigung bezieht, nicht. Er stellt keine Stelleneinsparung in einem Haushaltsplan dar. Er ändert auch weder Haushaltssatzung no...

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