Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Urteil vom 26.04.1994; Aktenzeichen 9 Ca 11615/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 05.10.1995; Aktenzeichen 2 AZR 384/95)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 26.04.1994 – 9 Ca 11615/93 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien besteht Streit über die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist.

Der Kläger war bei der Beklagten seit 19.07.1982 als Elektriker zu einem Stundenlohn von zuletzt DM 16,63 beschäftigt.

Am 30.09.1993 kündigte die Beklagte schriftlich das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aus betriebsbedingten Gründen zum 30.11.1993. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der sächsischen Metall- und Elektroindustrie vom 07.03.1991 (folgend: MTV) Anwendung.

Soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, enthält der MTV folgende Regelung:

§ 8

„1. …

2. (I)

Die Kündigungsfrist beträgt mindestens zwei Wochen

(entspricht § 55 Abs. 1 AGB-DDR).

(II)

Hat der Arbeitsvertrag in demselben Betrieb oder Unternehmen fünf Jahre bestanden, so erhöht sich für die Kündigung durch den Arbeitgeber die Kündigungsfrist auf einen Monat zum Monatsende, hat er zehn Jahre bestanden, erhöht sich die Kündigungsfrist auf zwei Monate zum Monatsende, hat er zwanzig Jahre bestanden, erhöht sich die Kündigungsfrist auf drei Monate zum Ende des Kalendervierteljahres; bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt (entspricht § 55 Absatz 2 AGB-DDR).

(III)

Für die Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitnehmer darf arbeitsvertraglich keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber (entspricht § 55 Abs. 4 AGB-DDR).

(IV)

Wird für das Tarifgebiet Bayern eine Neuregelung der Kündigungsfristen vereinbart, so gilt diese Regelung auch im Tarifgebiet Sachsen.

3.

Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits nach Maßgabe der für die Probezeit jeweils vereinbarten Kündigungsfrist gelöst werden. Ist keine Kündigungsfrist vereinbart, so gilt 1-tägige Kündigung zum Schluß des Arbeitstages.

…”

Mit der am 21.12.1993 beim Arbeitsgericht Leipzig eingegangenen Klage hat der Kläger die Beschäftigung über den 30.11.1993 hinaus bis zum 31.01.1994 verlangt.

Zur Begründung hat er ausgeführt, die Kündigung sei zum 30.11.1993 unwirksam, denn nach dem Kündigungsfristengesetz vom 07.10.1993 Artikel 1 § 622 Abs. 2 BGB hätte das Arbeitsverhältnis erst zum 31.01.1994 ordentlich gekündigt werden können.

Die Regelung des MTV finde keine Anwendung, da er kürzere Fristen vorsehe. Im MTV werde auf die gesetzliche Regelung Bezug genommen, dies sei bei Abschluß des Tarifvertrages § 55 AGB-DDR gewesen. Nunmehr gelte § 622 BGB n.F.. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.1994 stehe ihm nach dem Tarifabkommen über die Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 07.03.1991 50 % eines Monatseinkommens zu.

Der Kläger hat beantragt:

  1. Festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 30.09.1993 nicht mit dem 30.11.1993 endete, sondern frühestens mit dem 31.01.1994.
  2. Im Falle des Obsiegens zu 1., die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 30.11.1993 hinaus weiter zu beschäftigen.
  3. Im Falle des Obsiegens zu 1., die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 50 % des Monatsbruttoverdienstes als 13. Monatseinkommen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

Klageabweisung.

Sie hat sich zur Begründung darauf berufen, es gelte die Kündigungsfrist von 2 Monaten zum Monatsende gem. § 8 Ziffer 2 II MTV. Die tarifliche Kündigungsfrist sei auch nach Inkrafttreten des Kündigungsfristengesetzes anzuwenden, weil sie eine eigenständige, konstitutive Regelung darstelle und damit den gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 BGB n.F. vorgehe.

Zwar hätten die Tarifvertragsparteien die Absätze 1 und 2 des § 55 AGB-DDR inhaltlich unverändert übernommen, daß sie gleichwohl eine eigenständige Kündigungsfristenregelung hätten treffen wollen, ergebe sich aus den weiteren Absätzen der Tarifvorschrift, wonach sich eine etwaige Neuregelung der Kündigungsfristen im Tarifgebiet Bayern auch auf Sachsen auswirken sollte.

Ein anteiliges Monatseinkommen stehe dem Kläger nicht zu. Die Betriebsparteien hätten den Auszahlungstag auf den 14.12.1993 festgelegt. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger aber bereits ausgeschieden gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 53–58 d.A.) verwiesen.

Gegen das dem Kläger am 18.05.1994 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 26.04.1994 hat dieser mit einem am 17.06.1994 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sie am 18.08.1994, nach gewährter Fristverlängerung, wie folgt begründet:

Das Arbeitsgericht habe § 8 MTV unzutreffend ausgelegt. Die Tarifvertragsparteien hätten keinesfalls eine...

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