Verfahrensgang

ArbG Chemnitz (Urteil vom 08.06.1994; Aktenzeichen 14 Ca 9610/93)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 08.06.1994 (14 Ca 9610/93) wird auf Kosten des Beklagten

zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Länge der Kündigungsfrist.

Die am 27.11.1940 geborene Klägerin war seit 01.01.1985 bei der F. bzw. deren Rechtsvorgängerin mit einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 3.009,00 DM als Sachbearbeiterin Personalwesen beschäftigt.

Über das Vermögen der … wurde durch das Amtsgericht Leipzig am 31.07.1993 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und der Beklagte zum Gesamtvollstreckungsverwalter ernannt. Die Klägerin ist Mitglied der IG-Metall. Die … war Mitglied des Verbandes der Sächs. Metall- und Elektroindustrie.

Der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Metall- und Elektroindustrie Sachsen vom 01.04.1991 (zukünftig MTV) lautet in § 2 Ziff. 5 wie folgt:

„Ziff. 5:

(I)

Die Kündigungsfrist beträgt mindestens zwei Wochen (entspricht § 55 [1] AGB-DDR).

(II)

Hat der Arbeitsvertrag in demselben Betrieb oder Unternehmen fünf Jahre bestanden, erhöht sich für die Kündigung durch den Arbeitgeber die Kündigungsfrist auf einen Monat bis zum Monatsende, hat er 10 Jahre bestanden, erhöht sich die Kündigungsfrist auf zwei Monate zum Monatsende, hat er 20 Jahre bestanden, erhöht sich die Kündigungsfrist auf drei Monate bis zum Ende des Kalendervierteljahres; bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt (entspricht § 55 [2] AGB-DDR).

(III)

Für die Kündigung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitnehmer darf arbeitsvertraglich keine längere Frist vereinbart werden, als für die Kündigung durch den Arbeitgeber (entspricht § 55 [4] AGB-DDR).

(IV)

Wird für das Tarifgebiet Bayern eine Neuregelung der Kündigungsfristen vereinbart, so gilt diese Regelung auch in dem Tarifgebiet Sachsen.

(V)

Kündigungen haben beiderseits schriftlich zu erfolgen.

(VI)

Im übrigen gelten die sonstigen gesetzlichen Bestimmungen”.

Mit Schreiben vom 27.10.1993, der Klägerin zugegangen am selben Tag, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 30.11.1993.

Mit der am 16. November 1993 anhängig gemachten Klage hat die Klägerin zuletzt noch die Länge der Kündigungsfrist geltend gemacht. Die Klägerin ist der Auffassung, daß das Arbeitsverhältnis in Anwendung der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 222 EGBGB in der Fassung des Gesetzes zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (KündFGKüldFG) vom 17.10.1993 unter Berücksichtigung von Lebenalter und Beschäftigungsdauer erst mit Ablauf des 31.01.1994 beendet worden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 27.10.1993 nicht zum 30.11.1993 beendet worden ist, sondern erst mit Ablauf des 31.01.1994 sein Ende gefunden hat.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, die Kündigungsfrist richte sich nach § 2 Ziff. 5 MTV. Bei dieser Kündigungsfrist handele es sich um keine lediglich deklaratorische Verweisung auf den Wortlaut des § 55 Abs. 2 AGB-DDR, vielmehr um eine eigenständige Kündigungsfrist bis zu der noch ausstehenden Neuregelung im Tarifgebiet Bayern.

Ergänzend wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 08.06.1994 (Bl. 41 bis 42 d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht Chemnitz hat der Klage stattgegeben, da § 2 Ziff. 5 MTV hinsichtlich der anzuwendenden Kündigungsfristen keine Tarifnorm i. S. d. § 4 Abs. 1 TVG enthalte.

Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 43 bis 47 d. A.) verwiesen.

Gegen das dem Beklagten am 09.07.1994 zugestellte Urteil hat dieser mit am 01.08.1994 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 15.08.1994 begründet.

Der Beklagte ist der Auffassung, die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen deklaratorischen und konstitutiven Tarifvertragsregelungen sei nicht haltbar. Wenn Tarifvertragspartner eine gesetzliche Regelung zum Gegenstand des Tarifvertrages machen würden, geschehe dies kraft tariflicher Regelungsautonomie. Es sei eine schlichte Unterstellung, wenn bei der diskutierten Bandbreite der Gesetzesreform des Kündigungsfristengesetzes angenommen werde, bei Tarifverträgen mit wortgleich übernommenen gesetzlichen Regelungen zu den Kündigungsfristen habe es dem Willen der Tarifvertragspartner entsprochen, jede gesetzliche Neuregelung zu akzeptieren.

Auch vorliegend sei es Absicht der Tarifvertragsparteien gewesen, eine eigenständige tarifvertragliche Regelung zu schaffen. Dies ergebe sich gerade auch aus der Tatsache, daß die tarifvertragliche Regelung nur bis zu einer Neuregelung für das Tarifgebiet Bayern gelten solle.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 08.06.1994, 1 ...

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