Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Strafanzeige gegen Arbeitgeber
Leitsatz (redaktionell)
In einer Strafanzeige gegen seinen Arbeitgeber oder einen seiner Repräsentanten kann eine erhebliche Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht durch den Arbeitnehmer liegen, die den betroffenen Arbeitgeber zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um haltlose Vorwürfe aus verwerflichen Motiven handelt, wenn eine vom Arbeitnehmer veranlasste Strafanzeige wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben enthält oder wenn sie in Schädigungsabsicht bzw. aus Rache erfolgt.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Urteil vom 27.02.2003; Aktenzeichen 5 Ca 4947/02) |
Tenor
1 Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Leipzig vom 27.02.2003 – 5 Ca 4947/02 – wird
zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten Über die Rechtswirksamkeit von durch die Beklagte Gegenüber dem Kläger ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen vom 27.06.2002 sowie vom 13.08.2002.
Der am 23.03.1966 geborene Kläger war seit dem 01.12.2001 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt.
Alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist die Stadt … und die Hauptaufgabe der Beklagten besteht u.a. darin, in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt Arbeitnehmer an Arbeitnehmer suchende Unternehmen, insbesondere der … zu vermitteln.
Dem Arbeitsverhältnis der Parteien lag zunächst ein am 01.12.2001 geschlossener Arbeitsvertrag (Bl. 5 bis 7 d.A.) zugrunde, wonach das Arbeitsverhältnis bis zum 28.02.2002 befristet war. Die Parteien vereinbarten mit einem Vertrag vom 22.02.2002 (Bl. 8 d.A.) die Verlängerung der Befristung bis zum 31.03.2002 und mit weiterem Vertrag vom 21.03.2002 (Bl. 9 d.A.) wurde die Befristung bis zum 31.12.2004 verlängert.
Zu dem Aufgabengebiet des Klägers gehörte u.a. die Vorbereitung von zu stellenden Anträgen auf Fördermittel bei der Bundesanstalt für Arbeit. Die monatliche Vergütung des Klägers betrug 3.404,27 Euro brutto.
Am 21.12.2001 schloss die Beklagte mit vier Arbeitnehmern befristete Arbeitsverträge (Bl. 60 bis 62 d.A.; Bl. 66 bis 68 d.A.; Bl. 72 bis 74 d.A.; Bl. 78 bis 80 d.A.). Diese Arbeitsverhältnisse sollten gemäß § 10 SGB III über das Arbeitsamt gefördert werden und der stellvertretende Direktor des Arbeitsamtes L. hatte dem Geschäftsführer der Beklagten … auf dessen Antrag bereits vor der Einstellung dieser Arbeitnehmer mündlich diese Förderung zugesagt.
Am 24.01.2002 fand eine Besprechung statt, an der neben dem Kläger eine weitere Arbeitnehmerin der Beklagten und der stellvertretende Direktor des Arbeitsamtes L. teilnahmen. Der stellvertretende Direktor des Arbeitsamtes Leipzig erklärte gegenüber dem Kläger, dass die Beklagte undatierte Förderantrage für diese 4 Arbeitnehmer vorlegen solle, um die Förderung mit noch vorhandenen Mitteln aus dem Jahr 2001 zu erreichen. Der Kläger wies darauf hin, dass Förderanträge ein aktuelles Datum enthalten müssten.
Der Kläger erstellte dennoch für diese vier Arbeitnehmer einen Fördermittelantrag ohne Datum (Bl. 54 d.A.) und legte sie dem Geschäftsführer der Beklagten … zur Unterzeichnung vor. Der Kläger hat den Geschäftsführer … weder vor noch nach Unterschriftsleistung auf seine Bedenken im Hinblick auf das fehlende Datum hingewiesen.
Mitte April 2002 kam es zwischen dem Kläger und dem Mitarbeiter des Arbeitsamtes L. zu einem Gespräch, bei dem dieser Mitarbeiter dem Kläger erklärte, dass die fehlende Datierung von Fördermittelanträgen Illegal sei.
Am 29.04.2002 erstattete der Kläger bei der Staatsanwaltschaft L. eine Strafanzeige gegen den stellvertretenden Direktor des Arbeitsamtes … Rohwerder.
Der Kläger gab in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung gegenüber der Staatsanwaltschaft L. u.a. folgende Aussage zu Protokoll (Bl. 34/35 d.A.):
„…
Ich bin darauf hingewiesen worden, dass ich für meine Angaben aus arbeitsrechtlichen Gründen unter Umständen eine Aussagegenehmigung meines Arbeitgebers brauche. Ich möchte heute aber in jedem Fall die nachfolgenden Angaben machen. …
Die F. ist etwa seit November oder Dezember 2001 im Handelsregister eingetragen. Diese vier Mitarbeiter bekamen alle Ende Dezember. Ich meine am 23.12.2001, einen Arbeitsvertrag der … wobei zu diesem Zeitpunkt die Finanzierung dieser Mitarbeiter aufgrund einer mündlichen Zusage des Arbeitsamtes an Herrn … abesichert war. Hinsichtlich dieser Arbeitnehmer sollte eine Förderung nach § 10 SGB III erfolgen. Das ist mir aus entsprechenden Gesprächen bekannt. Die entsprechenden Förderanträge wurden und konnten aus Zeitgründen im Jahr 2001 nicht mehr gestellt werden. Am Donnerstag den 24.01.2002, fand dann eine gemeinsame Besprechung im Büro von Herrn … Zu Beginn der Besprechung war zunächst nur ich, meine Kollegin … und Herr … vom Arbeitsamt L. zugegen. Herr … kam erst später zu der Besprechung hinzu. Bei dieser Besprechung ging es anfangs auch...