Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung aus wichtigem Grund bei Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten und Verstoß gegen das Gebot zur Rücksichtnahme. Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten durch Erstattung einer Strafanzeige gegenüber dem Arbeitgeber
Leitsatz (redaktionell)
1. In der Erstattung einer Strafanzeige gegenüber dem Arbeitgeber, Vorgesetzten oder Arbeitskollegen kann eine kündigungsrelevante erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten liegen, insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer in der Strafanzeige wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hat bzw. - wie hier - die Strafanzeige ohne tatsächliche Veranlassung und rechtliche Grundlage erfolgte.
2. Im Übrigen dürfen Arbeitnehmer zwar - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In groben Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 1, § 626
Verfahrensgang
ArbG Chemnitz (Entscheidung vom 14.07.2023; Aktenzeichen 10 Ca 216/23) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 14.07.2023 - 10 Ca 216/23 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen.
Der 1977 geborene Kläger war seit dem 01.08.2006 bei der Beklagten bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 3.300,- EUR als Fachangestellter für Bäderbetriebe (Schwimmmeister) beschäftigt.
Der Kläger arbeitete seit dem 01.08.2006 in der Schwimmhalle der Beklagten. Am 19.11.2021 kam es während der Spätschicht zu Unstimmigkeiten zwischen dem Kläger und seinem Kollegen J.. S.... Die Vorgesetzte des Klägers, Frau J... G..., wollte diesen Konflikt in einem Personalgespräch am 25.11.2021 klären. Herr J... S... beendete das Gespräch vorzeitig, indem er das Zimmer verließ. Frau G... versuchte am gleichen Tag noch einmal das Gespräch zu führen. Dies lehnte Herr J... S... jedoch ab. Der Kläger machte daraufhin Frau J... G... den Vorwurf, ihren Pflichten als Vorgesetzte nicht nachgekommen zu sein, da der Konflikt nach wie vor nicht geklärt worden sei. Ab dem 26.11.2021 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Er befindet sich in ärztlicher und psychologischer Behandlung.
Am 22.11.2022 kam es dann zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und Herrn J... S.... In diesem wurde der Gesprächsinhalt vom Kläger ohne Wissen des Herrn J... S... aufgezeichnet. Den Gesprächsinhalt verbreitete der Kläger u.a. an den Vater von Frau J... G....
Ab dem 24.11.2022 wollte der Kläger ein Vier-Augen-Gespräch mit Frau G... führen. Diese lehnte es ab und bot stattdessen ein Sechs-Augen-Gespräch gemeinsam mit ihrem Vorgesetzten, Herrn B..., an. Dies lehnte der Kläger ab. Am 27.11.2022 forderte der Kläger Frau G... zum Vier-Augen-Gespräch per WhatsApp auf. Frau G... lehnte dies wiederum ab und verwies auf die Möglichkeit eines Sechs-Augen-Gesprächs. In der Folgezeit forderte der Kläger Frau G... immer wieder zu einem Vier-Augengespräch auf, welches sie weiter unter dem Verweis auf das Sechs-Augen-Gespräch ablehnte. Der Kläger war des Weiteren bei dem stellvertretenden Personalratsvorsitzenden Herrn E... zu Hause. Der Inhalt dieses Gesprächs ist lediglich dem Personalrat bekannt. Am 28.11.2022 kontaktierte der Kläger Herrn W... (Vater von Frau G....). Er schickte ihm sämtliche Chatverläufe von sich und Frau G.... Er teilte Herrn W... mit, dass Frau G... sich "auf dünnen Eis bewege". Er drohte, dass etwas passieren würde. Dabei schickte er u.a. Äußerungen wie eine Uhr mit "5 vor 12". Nach dem 28.11.2022 erfolgten regelmäßige Drohungen mit der Uhr "5 vor 12". Die Drohungen wurden auch mit der Familie von Frau G... in Verbindung gebracht: "Warum machst du das?? Du hast Familie".
Am 01.12.2022 teilte Frau G... dem Kläger mit, dass sie keinen weiteren privaten Kontakt wünsche. Sie fühle sich bedrängt und würde ihn daher wegen Belästigung anzeigen. Sie forderte ihn auf, die Bedrohung ihrer Familie zu unterlassen.
Der Kläger verlangte in der Folgezeit die Herausgabe der Dienstpläne durch Herrn S... ab. Frau G... untersagte am 13.12.2022 die Weitergabe von Dienstplänen, da der Kläger noch krankgeschrieben sei. Er solle auch die Mitarbeiter der Schwimmhalle in Ruhe lassen. Er könne jedoch jederzeit seine privaten Sachen aus dem Spind holen.
Am 15.12.2022 blockierte Frau G... den Kläger auf ihrem Mobiltelefon.
Nach dem 15.12.2022 forderte der Kläger die Mitarbeiter Frau A... und Herrn S... auf, die Dienstpläne herauszugeben. Frau G... bat die Mitarbeiter der Schwimmhalle, keine Informationen an den Kläger zu geben, da er nicht arbeitsfähig sei und kein Antrag auf Wiedereingliederung gestellt worden sei.
Am 17.12.2022 stellte der Kläger Strafanzeige gegen Frau G... u...