Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründete Klage eines Rettungssanitäters und Rettungsassistenten auf Annahmeverzugsvergütung und Gutschriften auf dem Arbeitszeitkonto für Bereitschaftsdienste innerhalb der vertraglichen Soll-Arbeitszeit bei durchgängiger Zahlung des verstetigten monatlichen Tabellenentgelts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zahlt der Arbeitgeber das verstetigte monatliche Tabellenentgelt entsprechend den Regelungen der Arbeitsvertragsrichtlinien der Johanniter (AVR-Johanniter) und erfolgt diese Zahlung ausweislich der Tilgungsbestimmungen des Arbeitgebers nach § 366 Abs. 1 BGB auf die regelmäßige wöchentliche 40-stündige Arbeitszeit, sind damit etwaige Annahmeverzugsansprüche erloschen.

2. Die Frage, ob geleistete Bereitschaftsdienste zusätzlich zum verstetigten monatlichen Tabellenentgelt zu vergüten sind oder zusätzlich einem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben sind, betrifft Streitgegenstände, die nicht zu einer zusätzlichen Vergütung der Regelarbeitszeit führen; einen Anspruch, Bereitschaftsdienste zu bestimmten Zeiten zu leisten, gewährt § 615 Satz 1 BGB nicht.

3. Nach § 11b Abs. 2 Satz 1 wird in Verbindung mit § 11b Abs. 1 Satz 1 AVR-Johanniter auf dem vom Dienstgeber geführten Jahresarbeitszeitkonto die geleistete Arbeitszeit gutgeschrieben; die Voraussetzungen für den Anspruch liegen nicht vor, wenn der Arbeitnehmer nicht die Gutschrift geleisteter Arbeitszeit sondern die Gutschrift nicht geleisteter Arbeitszeit begehrt.

4. Gemäß § 11g Abs. 1 Satz 1 AVR-Johanniter sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verpflichtet, sich auf Anordnung der Dienstgeberin oder des Dienstgebers außerhalb der vertraglichen Soll-Arbeitszeit an einer von der Dienstgeberin oder vom Dienstgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst); aus dieser Vorschrift folgt nicht, dass der Dienstgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer 40 Stunden wöchentlich in "Vollzeit" zu beschäftigen, so dass die innerhalb der vertraglichen Soll-Arbeitszeit angeordneten Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit bis zu 40 Wochenstunden mit der Folge nicht zu berücksichtigen sind, dass sie zusätzlich vergütet werden müssen.

 

Normenkette

BGB § 615 S. 1; AVR-J § 11b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; AVR-Johanniter § 11g Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Entscheidung vom 18.08.2014; Aktenzeichen 8 Ca 2661/13)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 18. August 2014 - 8 Ca 2661/13 - wird auf Kosten des Klägers

z u r ü c k g e w i e s e n .

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht für den Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2013 Vergütungsansprüche, hilfsweise Gutschriften auf seinem Arbeitszeitkonto geltend. Außerdem streiten die Parteien über die Höhe der regelmäßigen Arbeitszeit sowie über die Wirksamkeit der Anordnung von Bereitschaftsdiensten.

Der 1974 geborene Kläger ist seit dem 1. Juli 2011 zur Hälfte seiner Arbeitskraft als Rettungssanitäter und zur anderen Hälfte als Rettungsassistent zu einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Nach § 1 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 22. Juni 2011 (Bl. 12 ff. d. A.) gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien der Johanniter in der jeweils geltenden Fassung (im Folgenden:

AVR-J). In der AVR-J ist u. a. Folgendes geregelt:

"§ 11 Arbeitszeit

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Mitarbeiterin bzw. eines vollbeschäftigten Mitarbeiters beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich ...

...

(4) Die tägliche Arbeitszeit darf 8 Stunden grundsätzlich nicht überschreiten.

Sie kann auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn die Arbeitszeit wöchentlich 48 Stunden im Durchschnitt von 12 Kalendermonaten (Ausgleichszeitraum) nicht überschreitet.

...

§ 11 b Arbeitszeitkonten

(1) Die Dienstgeberin bzw. der Dienstgeber richtet für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter ein Jahresarbeitszeitkonto ein und führt dieses, soweit einzelvertraglich keine anderweitige Regelung getroffen wurde ...

(2) Die geleistete Arbeitszeit ist auf dem Jahresarbeitszeitkonto gutzuschreiben.

Abrechnungszeitraum ist das Kalenderjahr ...

...

(5) Der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter ist jeweils zu Beginn eines Kalendermonats der aktuelle Kontostand ihres bzw. seines jeweiligen Jahresarbeitszeitkontos mitzuteilen (Monatsarbeitszeitsaldo). Dabei werden die jeweiligen monatlichen Kontensaldi zu einem fortlaufenden Jahresarbeitszeitsaldo aufaddiert.

Pro Kalendermonat kann von der monatlichen Soll-Arbeitszeit um jeweils bis zu 30 Plusstunden bzw. bis zu 30 Minusstunden abgewichen werden. Im Einzelfall kann die monatliche Soll-Arbeitszeit auch um mehr als 30 Minusstunden unterschritten werden, wenn hierüber zuvor eine Vereinbarung zwischen der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter und der Dienstgeberin bzw. dem Dienstgeber getroffen wurde. Wird die monatliche Soll-Arbeitszeit um mehr als 30 Stunden überschritten, so verfallen diese über 30 Stunden hinausgehenden Stunden, es sei denn, sie gelten als...

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