Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Berufserfahrung und Restlaufzeiten bei der Stufenzuordnung eines Hochschulmitarbeiters
Leitsatz (redaktionell)
1. Die §§ 16 und 17 TV-L bilden eine in sich geschlossene Regelung für die Stufenzuordnung und die Stufenlaufzeit. Ausgangspunkt ist eine erfahrungsbezogene Stufenzuordnung und über § 17 Abs. 2 TV-L ein erfahrungs- und leistungsbezogener Stufenaufstieg.
2. § 16 Abs. 2 TV-L hat den Zweck, durch Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten einen Arbeitgeberwechsel innerhalb des öffentlichen Dienstes und auch aus der Privatwirtschaft in den öffentlichen Dienst zu erleichtern. Für Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Sinne des § 40 TV-L gilt dies in besonderem Maße, da sie im Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte darauf angewiesen sind, nachteilige Folgen beim Arbeitgeberwechsel zu vermeiden.
3. Ein weiterer Zweck des § 16 Abs. 2 TV-L besteht darin, bereits erworbene Berufserfahrung bei der Einstellung zu würdigen, weil sie dem Arbeitgeber Einarbeitungszeit erspart und ein höheres Leistungsvermögen des Arbeitnehmers erwarten lässt. Für Beschäftigte an Hochschulen haben die Tarifvertragsparteien daher geregelt, dass bei Einstellung in den Entgeltgruppen 13 bis 15 und im Fall einer Vorbeschäftigung bei den dort genannten Arbeitgebern grundsätzlich nach § 16 Abs. 2 TV-L in der Fassung des § 40 Nr. 5 TV-L eine einschlägige Berufserfahrung im Sinne des § 16 Abs. 2 TV-L anzunehmen ist.
4. Eine Zusammenrechnung der Berufserfahrungszeiten bei der Stufenzuordnung, wie sie in § 44 Nr. 2a Ziff. 1 TV-L für Lehrkräfte ausdrücklich angeordnet ist, sieht § 16 Abs. 2 in der Fassung des § 40 Nr. 5 TV-L nicht vor.
5. § 40 Nr. 5 TV-L regelt die Stufenzuordnung nur für § 16 Abs. 2 TV-L und nicht auch gleichzeitig die Stufenlaufzeit für die Entgeltgruppen 13 bis 15. Hinsichtlich der Stufenlaufzeit haben die Tarifvertragsparteien für die Mitarbeiter an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen keine gesonderte Regelung getroffen.
6. Die Regelungen des § 16 Abs. 2 und Abs. 3 TV-L sind im Hinblick auf Restlaufzeiten, die bei anderen Arbeitgebern zurückgelegt wurden, weder aufgrund verfassungs- noch europarechtlicher Regelungen und auch nicht unter besonderer Berücksichtigung des Schutzbedürfnisses wissenschaftlicher Mitarbeiter über den Wortlaut hinaus auszulegen.
Normenkette
TV-L § 16 Abs. 2-3, § 17 Abs. 2, § 40 Nr. 5, § 44 Nr. 2a Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Entscheidung vom 22.06.2016; Aktenzeichen 10 Ca 748/16) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 22.06.2016 - Az. 10 Ca 748/16 -
a b g e ä n d e r t
wie folgt:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Stufenzuordnung des Klägers.
Wegen des unstreitigen Tatbestands, des streitigen Sachvortrags der Parteien einschließlich der geäußerten Rechtsansichten sowie der Anträge im erstinstanzlichen Verfahren wird Bezug genommen auf das angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 22.06.2016, welches das Vorbringen der Parteien vollständig und richtig beurkundet hat (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Das Arbeitsgericht Dresden hat in dem am 07.07.2016 zugestellten Urteil vom 22.06.2016 den Beklagten zur Zahlung verurteilt und angenommen, dass die Stufenlaufzeit mit der Zuordnung des Beschäftigten zu einer Stufe seiner Entgeltgruppe nach seiner Einstellung bei gesetzeskonformer Auslegung des § 16 Abs. 3 Satz 1 TV-L nicht neu zu laufen beginnt, wenn er zuvor befristet bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war und keine schädliche Unterbrechung i. S. d. Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L vorliegt. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 05.12.2016 - C-514/12 - und dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG sei die Klage begründet. Hiergegen richtet sich die am 29.07.2016 eingegangene und mit am 22.08.2016 eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung des Beklagten.
Mit der Berufung trägt der Beklagte vor, dass § 16 Abs. 3 TV-L eine Anrechnung von Restlaufzeiten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 21.02.2013 nicht vorsehe. Nach § 16 Abs. 2 TV-L knüpfe die Stufenlaufzeit nur an die zurückgelegten Zeiten beim aktuellen Arbeitgeber an. Restlaufzeiten und bei anderen Arbeitgebern zurückgelegte Zeiten sollten nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nur bis zur Stufe 3 berücksichtigt werden. § 16 Abs. 2 und 3 TV-L verstoße auch nicht gegen den europarechtlichen Schutz der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach der AEUV. Vorliegend sei schon kein grenzüberschreitender Bezug ersichtlich. Darüber hinaus bestehe auch nicht die Gefahr von mittelbarer Diskriminierung, weil die unterschiedliche Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung bei der Einstellung in § 16 Abs. 2 TV-L nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpfe, sondern daran, ob die Beruf...