Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr. kein Anfall bei außergerichtlichem Vergleich. Abweichung der Nr 3106 RVG-VV von der Nr 3104 RVG-VV: "schriftlicher Vergleich". keine entsprechende Anwendung von § 278 Abs 6 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Die Abweichung im Wortlaut der Nr 3106 RVG-VV von der Nr 3104 RVG-VV ist kein Redaktionsversehen, sondern hängt damit zusammen, dass es den "schriftlichen Vergleich" gem § 278 Abs 6 ZPO im Sozialgerichtsprozess nicht gibt.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 28.06.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Anwaltskosten in einer Angelegenheit nach dem SGB II. Die Beschwerdeführerin erhob im Auftrag von zwei in Bedarfsgemeinschaft lebenden Anspruchstellern am 18.02.2009 Klage zum SG Chemnitz mit dem Antrag, einen - mehrfach geänderten - Bescheid insoweit aufzuheben, als er “vom Einkommen des Klägers zu 2 den Abzug für die Kraftfahrzeugversicherung ab Dezember 2008 nicht gewährt und die angemessenen Kosten der Unterkunft auf den Betrag von 363,91 € begrenzt„. Der angefochtene Bescheid betraf die Bewilligung für drei Monate. Betragsmäßig streitig waren somit pro Monat 45,09 € auf Grund der Begrenzung der KdU auf 363,91 € (die Gesamtkosten beliefen sich auf 409,00 €) und 14,15 € pro Monat (Kfz-Versicherung), insgesamt also für drei Monate 177,72 €.
Die Beteiligten einigten sich, die Sache vergleichsweise zu regeln, und zwar entsprechend einer Regelung in einem Parallelverfahren mit dem Aktenzeichen S 20 AS 140/08.
Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss vom 11.05.2009 bewilligt.
Nachdem zunächst noch wegen gewisser Einzelposten nicht völlige Übereinstimmung in den schriftsätzlichen Erklärungen der Beteiligten bestand, schlug das Gericht mit Schreiben vom 11.06. einen Vergleich vor, der eine Kostenregelung (50 %) enthält und den ausdrücklichen Satz, dass der Rechtsstreit vollumfänglich erledigt ist.
Nachdem die Beklagte auch diesen Vergleich noch nicht annehmen wollte und einen zu ihren Gunsten um 0,54 € abgeänderten Vergleich vorschlug, mit dem sich die Klägerseite sofort einverstanden erklärte, erließ das Sozialgericht Chemnitz am 08.07.2009 folgenden Beschluss:
Es wird gemäß den § 202 SGG i. V. m. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt, dass zwischen den Beteiligten folgender Vergleich zustande gekommen ist:
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I. |
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Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum Kosten der Unterkunft und Heizung von monatlich 404,06 € (sich zusammensetzend aus Grundmiete: 266,00 €; Betriebskosten: 61,00 € und Heizkosten: 89,00 €, abzüglich 11,94 € Warmwasserpauschale) übernimmt und den Klägern den sich ergebenden Differenzbetrag nachzahlt. |
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II. |
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Die Beklagte erstattet den Klägern 50 % von deren notwendigen außergerichtlichen Kosten. |
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III. |
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Damit ist der Rechtsstreit vollumfänglich erledigt. |
Die Abschlussverfügung stellt fest, dass das Verfahren außerhalb der mündlichen Verhandlung erledigt worden sei, von den Alternativen
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- übereinstimmende Erledigungserklärung - angenommenes Anerkenntnis - Zurücknahme - Verbindung mit anderer Sache - Unterbrechen/Ruhen/Aussetzen - Sonstiges - Abgabe |
ist jedoch nichts angekreuzt.
Mit Schreiben vom 21.07.2009 beantragte die Beschwerdeführerin die Vergütungsfestsetzung wie folgt:
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VV RVG Nr. |
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Betrag in Euro |
3102, 1008 |
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325,00 € |
3106, Nr.1 |
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200,00 € |
1006 |
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190,00 € |
7002 |
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20,00 € |
Zwischensumme |
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735,00 € |
7008 |
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139,65 € |
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874,65 € |
Davon 50 % |
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437,32 € |
Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 02.12.2009 wurde dem Antrag gefolgt mit Ausnahme der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG, eine solche sei nicht entstanden.
Es ergab sich dadurch eine aus der Staatskasse zu erstattende Gesamtsumme von 199,32 €.
Mit der Erinnerung wurde geltend gemacht, es liege sehr wohl der Tatbestand der Nr. 3106 VV RVG vor, wonach die Terminsgebühr in Verfahren vor dem Sozialgericht auch dann entstehe, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werde. Der Beschluss vom 08.07.2009 sei eine solche Entscheidung.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 28.06.2010 die Beschwerde zurückgewiesen. Auf den ausführlich begründeten Beschluss wird Bezug genommen.
Mit der Beschwerde wird das Vorbringen im Erinnerungsverfahren wiederholt und außerdem auf eine Entscheidung des SG Stuttgart vom 23.12.2009 hingewiesen, wonach die Nichterwähnung des schriftlichen Vergleichs in Nr. 3106 VV RVG eine richterrechtlich auszufüllende planwidrige Regelungslücke darstelle.
Der Bezirksrevisor ist der Beschwerde entgegengetreten.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Die unstreitigen Positionen stehen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats und bedürfen insoweit keiner weiteren Erörterung.
Streitig ist lediglich, ob eine “fiktive Terminsgebühr„ in Analogie zu Nr. 3104 Abs. 1 VV RVG auch in Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ ...