Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. keine fiktive Terminsgebühr bei Erlass eines berufungsfähigen Gerichtsbescheids. Neuregelung. KostRMoG 2

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG in der seit dem 1.8.2013 geltenden Fassung fällt nicht an, wenn ein berufungsfähiger Gerichtsbescheid ergangen ist.

2. Dass der Erlass eines Gerichtsbescheids, gegen den der Rechtsbehelf, die mündlichen Verhandlung nach § 105 Abs 2 S 2 SGG zu beantragen, nicht statthaft ist, seit dem 1.8.2013 keine (fiktive) Terminsgebühr mehr auslöst, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen die Art 3 Abs 1 GG und Art 12 Abs 1 GG, weil mit der Neuregelung eine systemwidrige Begünstigung beseitigt wurde.

 

Tenor

I. Die Beschwerde wird gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 25. März 2015 wird zurückgewiesen.

II. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung eines im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneten Rechtsanwalts.

Der Kläger begehrte in dem vor dem Sozialgericht Dresden (SG) geführten, zugrundeliegenden Rechtsstreit die endgültige Bewilligung von Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft. Mit Beschluss vom 06.02.2014 bewilligte das SG dem Kläger ab Antragstellung PKH ohne Auferlegung von Raten oder Zahlungen aus dem Vermögen und unter Beiordnung des Bf. Mit Gerichtsbescheid vom 17.04.2014 gab das SG der Klage zum überwiegenden Teil statt und verpflichtete den Beklagten zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Schon während des Verfahrens wurde dem Kläger ein Vorschuss auf die PKH in Höhe von 380,80 € gewährt. Nach Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Bf. am 16.06.2014 beantragt, seine aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und dessen Vergütungsverzeichnisses (VV RVG) wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG)

 300,00 €

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

 270,00 €

Pauschale für Post und Telekommunikation (Nr. 7002 VV RVG)

 20,00 €

Zwischensumme

590,00 €

Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

112,10 €

Endsumme (brutto)

702,10 €

abzüglich PKH-Vorschuss

-380,80 €

abzüglich BHS-Vorschuss

-41,65 €

zu zahlender Betrag

279,65 €

Mit Verfügung vom 20.06.2014 hat der Urkundsbeamte des SG die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen wie folgt festgesetzt:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG)

300,00 €

Pauschale für Post und Telekommunikation (Nr. 7002 VV RVG)

20,00 €

abzüglich Beratungshilfe

-35,00 €

Zwischensumme

285,00 €

Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

54,15 €

Gesamtsumme

339,15 €

abzüglich PKH-Vorschuss

380,80 €

Auszahlung (i. e. Erstattung des Bf.)

-41,65 €

Die Terminsgebühr sei nicht angefallen, da nach der Neufassung der Nr. 3106 VV RVG die fiktive Terminsgebühr nur noch anfalle, wenn nach der Entscheidung durch Gerichtsbescheid eine mündliche Verhandlung vor dem SG beantragt werden könne.

Der Bf. hat hiergegen am 30.06.2014 Erinnerung eingelegt und diese auf die nicht berücksichtigte Terminsgebühr in Höhe von 270 € beschränkt. Der Wegfall der Terminsgebühr bei berufungsfähigen Gerichtsbescheiden sei ein Eingriff in seine nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Berufsausübungsfreiheit und verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, weil es an einem sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung gegenüber nicht berufungsfähigen Gerichtsbescheiden fehle.

Mit Beschluss vom 25.03.2015 hat das SG die Erinnerung des Bf. zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass angesichts des klaren Wortlauts für eine verfassungskonforme Auslegung kein Raum sei und die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bf. nicht durchgriffen. Gegen den ihm am 02.04.2015 zugestellten Beschluss hat der Bf. am 09.04.2015 Beschwerde eingelegt und auf seinen Vortrag in der Erinnerungsschrift Bezug genommen.

Dem Senat die Akten des Vergütungsfestsetzungsverfahrens einschließlich des Erinnerungsverfahrens und des PKH-Beiheftes sowie die Akten des SG-Verfahrens vorgelegen.

II.

1. Der Senat entscheidet durch den Einzelrichter, weil die angefochtene Entscheidung vom Kammervorsitzenden des SG erlassen wurde, § 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG.

2. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt worden, nämlich binnen zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG), und darüber hinaus auch statthaft. Denn der Beschwerdewert übersteigt 200 € (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Der Bf. begehrt eine Festsetzung in Höhe von 702,10 €; mit dem angefochtenen Beschluss ist eine Festsetzung von höheren Gebühren als 380,80 € abgelehnt worden.

3. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das SG hat die dem Bf. aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen richtig festgesetzt. Die - hier allein streitige - Te...

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