Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Statthaftigkeit der Beschwerde. Zulassungsbedürftigkeit der Berufung in der Hauptsache. Beschwerdewert. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Erteilung einer Zusicherung zur Berücksichtigung der Aufwendungen für eine neue Unterkunft. Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Zusicherung im Sinne des § 22 Abs 4 SGB II handelt es sich um einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt im Sinne des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG in Verbindung mit § 172 Abs 3 Nr 1 SGG (insoweitige Aufgabe von LSG Chemnitz vom 26.10.2015 - L 7 AS 932/15 B ER und vom 19.12.2016 - L 7 AS 1001/16 B ER).
2. Zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für eine einstweilige gerichtliche Regelung zur vorläufigen Zusicherung im Sinne des § 22 Abs 4 SGB II.
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 6. März 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zusicherung der Gewährung der laufenden Kosten für die von ihr angestrebte künftige Wohnung in der Y... in A... und der diesbezüglichen Umzugskosten.
Die Antragstellerin wurde 1979 geboren und bezieht laufend vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Antragsgegner) Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie ist arbeitslos und verfügt über kein Einkommen. Seit dem 01.09.2003 bewohnt die Antragstellerin die Wohnung im dritten OG rechts des Mehrfamilienwohnhauses in A..., A-Straße. Ihre Bruttowarmmiete für diese Wohnung beträgt aktuell 237,55 € monatlich und wird in tatsächlicher Höhe vom Antragsgegner bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt.
Am 23.10.2019 beantragte die Antragstellerin wiederholt beim Antragsgegner die Zusicherung zum Umzug in die Wohnung Y... in A..., Erdgeschoss links sowie der Umzugskosten, weil die Lärmbelästigung, die von der Wohnung über ihr ausginge, zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Antragstellerin führe. Sie legte hierzu am 15.11.2019 ein Exposé der Vermieterin Wohnungsgenossenschaft X... eG vor, wonach für die begehrte Wohnung eine Kaltmiete in Höhe von 230 € sowie Nebenkosten für Betriebskosten, Heizung/Warmwasser und Kalt-/Abwasser in Höhe von insgesamt 100 € zu zahlen sind. Außerdem legte die Antragstellerin ein Angebot der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiative W... e.V. vom 07.06.2019 für Umzugskosten in Höhe von 384 € vor. Der Antrag auf Zusicherung zum Umzug sowie Übernahme der Umzugskosten wurde durch den Antragsgegner als Überprüfungsantrag ausgelegt und mit Bescheid vom 25.11.2019 abgelehnt. Den hiergegen am 23.12.2019 eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2020 als unbegründet zurück, weil der Umzug nicht erforderlich sei.
Die Antragstellerin erhob am 11.02.2020 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage, die dort unter dem Az. S 7 AS 288/20 geführt wird und beantragte zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie leide an einer psychischen Grunderkrankung und sei auf Ruhe angewiesen, Stress und Schlafstörungen verschlimmerten den Allgemeinzustand. Ihre jetzige Wohnung sei aufgrund der Bausubstanz ausgesprochen hellhörig. In der über ihr gelegenen Wohnung lebe auf gleicher Fläche eine Familie mit einem Kleinkind, von der eine zwar vertragsgemäße, aber dennoch ihre Gesundheit beeinträchtigende Lärmbelastung ausginge. In der begehrten Wohnung in der Y... in A... sei sie demgegenüber nicht derartigen Lärmbelastungen ausgesetzt. Das SG hat am 11.02.2020 eine Mitarbeiterin der Vermieterin der begehrten Wohnung im Rahmen eines Telefonats angehört. Hiernach ist die Wohnung in der Y... in A... Bestandteil eines neu errichteten Blocks mit zehn Wohneinheiten á zehn Wohnungen und die Wohnungen würden auch von W... Studenten nachgefragt werden, da die Wohnungen in W... zu teuer seien und A... auch aufgrund der guten S-Bahn-Anbindung attraktiv sei.
Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz durch Beschluss vom 06.03.2020 abgelehnt. Die Antragstellerin habe den Anordnungsanspruch gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), insbesondere die Erforderlichkeit des Umzugs im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, nicht glaubhaft gemacht. Es fehle die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs. Selbst wenn man mit der Antragstellerin davon ausgehe, dass der weitere Verbleib in der bisherigen Wohnung zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führe und der Umzug deshalb erforderlich sei, so fehle es jedenfalls an der Geeignetheit der von der Antragstellerin ausgewählten Wohnung. Diese sei nach den Angaben der Vermieterin in einem Block mit zehn Wohneinheiten á zehn Wohnungen gelegen, die Wohnungen...