Entscheidungsstichwort (Thema)

Entschädigungsanspruch des Sachverständigen für eine Stellungnahme zu seinem Gutachten

 

Orientierungssatz

1. Wird ein Gutachter im sozialgerichtlichen Verfahren von einem Beteiligten wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und er daraufhin vom Gericht gebeten, zum Vorwurf der Befangenheit Stellung zu nehmen, so löst dessen Stellungnahme grundsätzlich keinen gesonderten Entschädigungsanspruch aus.

2. Wird der Sachverständige dagegen vom Gericht aufgefordert, so besteht hinsichtlich seiner Entschädigung kein Unterschied zum entschädigungspflichtigen Ergänzungsgutachten bzw. zur ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme. Für diese vom Gericht bestellte Stellungnahme ist er daher zu entschädigen.

 

Tenor

Die dem Sachverständigen, Herrn Dr. med. habil. X., zustehende Vergütung für die Stellungnahme vom 23.07.2007 wird auf 257,32 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Am 13.06.2007 erstattete der Antragsteller für das Sächsische Landessozialgericht in seiner Funktion als Sachverständiger im Rechtsstreit L 2 U 77/06 ein neurologisches Gutachten, welches inzwischen antragsgemäß entschädigt wurde.

Bevor dieses Gutachten dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Stellungnahme übersandt worden war, äußerte sich dieser kritisch zu der Untersuchung am 30.05.2007 und führte am Ende seines Schriftsatzes vom 18.06.2007 aus:

“Die Klägerin ist daher besorgt und muss bereits vor Vorliegen des Gutachtens feststellen, dass der Gutachter offensichtlich nicht unvoreingenommen und unbeeinflusst sein Gutachten abgegeben hat, sondern offensichtlich mit einer nicht objektiven Grundhaltung der Klägerin gegenübergetreten ist.„

Das Landessozialgericht hat daraufhin diesen Schriftsatz dem Gutachter übersandt “mit der Bitte, zum Vorwurf der Befangenheit Stellung zu nehmen„.

Dieser Bitte kam der Gutachter nach und übersandte dem Landessozialgericht am 26.07.2007 eine 2 1/2-seitige Stellungnahme, in welcher zu den erhobenen Vorwürfen im Einzelnen erwidert wurde.

Gleichzeitig stellte er einen Antrag auf Entschädigung und rechnete die Stellungnahme wie folgt ab:

Aktenstudium

4 Seiten

0,04 Std.

schriftliche Stellungnahme

2 Seiten

2,00 Std.

Diktat und Korrektur

2 Seiten

0,33 Std.

gesamt

2,37 Std.

aufgerundet

2,50 Std.

Std.-Satz 85,00 EUR   

 212,50 EUR

Schreibgebühren (Tsd. Anschl.)   

3,36 x 0,75 EUR

2,52 EUR

Summe

    215,02 EUR

Umsatzsteuer 19%

 40,85 EUR

Portokosten

 1,45 EUR

Gesamt:

 257,32 EUR.

Von dem zuständigen Kostensachbearbeiter wurde ihm daraufhin mitgeteilt, dass die Stellungnahme zum Befangenheitsantrag für sich allein keinen gesonderten Entschädigungsanspruch nach dem JVEG auslöse, sondern eine Nebenpflicht aus der Ernennung zum Sachverständigen darstelle (Bescheid vom 07.08.2007).

Der Antragsteller hat daraufhin den Antrag auf richterliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG gestellt und sich auf einen Beschluss des LG Wiesbaden vom 26.10.2006 - 10 OH 5/02 - und einen Beschluss des LSG Stuttgart vom 12.02.2007 - L 12 RA 1624/03 KO-A - berufen.

Der Bezirksrevisor hat sich mit Schreiben vom 20.08.2007 zu der Sache dahingehend geäußert, dass der Gutachter hinsichtlich der Stellungnahme zum Vorwurf der Befangenheit nicht im Sinne des § 118 SGG i. V. m. § 402 ff. ZPO zu Beweiszwecken in Anspruch genommen worden sei. Ausschließlich eine Heranziehung zu Beweiszwecken löse aber einen Entschädigungsanspruch im Sinne von § 1 ZSEG aus. Die Stellungnahme eines Sachverständigen zum Vorwurf der Befangenheit stelle eine Nebenpflicht aus der Ernennung zum Sachverständigen dar; dies sei auch die Auffassung des LSG Brandenburg (Beschluss vom 04.01.2002 - L 2 SF 19/01).

II.

Auf den Antrag gemäß § 4 Abs. 1 JVEG war die Sachverständigenentschädigung, die der Höhe nach nicht angegriffen wurde, wie erfolgt festzusetzen.

Die Rechtsprechung zu der Frage, ob die Stellungnahme eines Sachverständigen zu einer Ablehnung wegen Befangenheit einen gesonderten Entschädigungsanspruch auslöse, ist uneinheitlich. Dies hängt damit zusammen, dass auch die zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellationen uneinheitlich sind. Während nach Auffassung des LSG Brandenburg (Beschluss vom 04.09.2001 - L 2 SF 19/01 - grundsätzlich eine Entschädigung nicht zusteht, weil der Sachverständige nicht zu Beweiszwecken herangezogen werde, wurde vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (Entscheidung vom 17.02.2004 - L 2 RA 1624/03 KO-A) die Auffassung vertreten, dass es nur dann richtig sei, ihn für eine Stellungnahme nicht zu entschädigen, wenn die Besorgnis der Befangenheit im persönlichen Verhalten des Sachverständigen gesehen werde, etwa in seinen Äußerungen gegenüber einem Prozessbeteiligten.

In diese Richtung geht auch ein Beschluss des LG Wiesbaden, wonach es darauf ankommt, ob sich das Ablehnungsgesuch auf den Inhalt des Gutachtens bezieht oder das Grundverhältnis zwischen Gutachter und Gericht betrifft, etwa wie die Aufstellung der Rechnung oder die Anfertigung des Übersendungsschreibens, was nicht gesondert vergütet werden könne (LG Wiesbaden, Entscheidung vom 26.10.200...

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