Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. fehlender Anordnungsgrund. Überprüfungsverfahren. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. schlüssiges Konzept. Einpersonenhaushalt in Leipzig
Leitsatz (amtlich)
1. Das der Richtlinie der Stadt Leipzig vom 18.12.2014 zugrunde liegende Konzept genügt nach der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung den vom BSG aufgestellten Anforderungen an ein schlüssiges Konzept.
2. Wird in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die (vorläufige) Gewährung höherer Leistungen für die Unterkunft begehrt, ist hinsichtlich des Anordnungsgrundes auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzustellen. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob der Erhalt der Wohnung als Lebensmittelpunkt konkret gefährdet ist.
3. Wird im Rahmen eines laufenden Überprüfungsverfahrens (§ 44 SGB X) hinsichtlich eines bestandskräftigen Bescheids Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, ist es dem Antragsteller in der Regel zuzumuten, die Entscheidung im Verwaltungsverfahren oder in einem anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten. Eine einstweilige Anordnung kann in solchen Fällen nur ergehen, wenn massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz dargelegt werden und die Rechtswidrigkeit des bestandskräftigen Bescheids offensichtlich und deshalb mit einem für den Antragsteller positiven Ausgang des Überprüfungsverfahrens zu rechnen ist.
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts L... vom 27. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung höherer Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.05.2016 bis 28.02.2017.
Der 1966 geborene erwerbsfähige Kläger bezieht als Alleinstehender seit seinem Zuzug aus Brandenburg in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners im August 2012 von diesem laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Er bewohnt eine Zweizimmerwohnung in A... (53 qm), für die monatliche Aufwendungen in Höhe von insgesamt 445,00 € (318,00 € Grundmiete + 127,00 € Vorauszahlung für Nebenkosten) anfallen. Der Antragsgegner übernahm diese Aufwendungen - eine Zusicherung vor dem Bezug der Wohnung war nicht erteilt worden - von Beginn an nicht in voller Höhe, sondern begrenzte die Leistungen für die KdU auf den aus seiner Sicht angemessenen Höchstbetrag gemäß seiner jeweils geltenden KdU-Richtlinie. Mehrere Anträge des Antragstellers auf Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes waren in der Vergangenheit insoweit erfolgreich, als ihm im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen für KdU (gemäß Wohngeldgesetz) gewährt wurden.
Für die Zeit vom 01.03.2016 bis 28.02.2017 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 29.01.2016 Leistungen in Höhe von monatlich 732,00 €. Auf die KdU entfiel hierbei ein Betrag von 328,00 € (269,57 € Grundmiete und kalte Betriebskosten zzgl. 58,43 € [46 % von 127,00 €] Heizkosten). Zur Begründung für die Kürzung der KdU verwies der Antragsgegner auf die in seiner Richtlinie vom 18.12.2014 festgeschriebenen Angemessenheitsobergrenzen. Der Bescheid vom 29.01.2016 wurde bestandskräftig, nachdem er vom Antragsteller nicht mit dem Widerspruch angefochten wurde. Mit Schreiben vom 18.04.2016 beantragte der Antragsteller gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Überprüfung des Bescheids hinsichtlich der Höhe der gewährten Leistungen für KdU.
Am 02.05.2016 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) A... die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt und beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm vorläufig für die Zeit vom 01.05.2016 bis 28.02.2017 Leistungen für KdU in Höhe der tatsächlichen Mietkosten von monatlich 445,00 € zu erbringen. Der Richtlinie des Antragsgegners vom 18.12.2014 liege kein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zugrunde. Wohnraum innerhalb der Angemessenheitsgrenzen der Richtlinie stehe in A... nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Entsprechende Wohnungen seien im Wesentlichen nur in drei Stadtbezirken (A-Stadt West, A... Ost, A... Nordost) zu finden. Damit werde die Bildung von "Hartz-IV-Bezirken" vorangetrieben. Zudem habe das Wohnungsangebot für 1-Personen-Bedarfsgemeinschaften erheblich abgenommen. Hier stünden SGB II-Leistungsbezieher in Konkurrenz zu SGB XII-Leistungsbeziehern, Asylbewerbern und Geringverdienern. Das in diesem Bereich vorhandene Wohnungsangebot konzentriere sich auf Wohnungen mit einer Größe von bis zu 35 qm (75-80 %) bzw. bis zu 40 qm (90 %). Eine Überprüfung und Bewertung der vom Antragsgegner zugrunde gelegten Angemessenheitsobergrenze könne erst nach Vorlage und Auswertung der der Richtlinie zugrunde liegenden (Roh-)Daten erfolgen. Diese habe der ...