Entscheidungsstichwort (Thema)
unbefristete Arbeitserlaubnis. Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik. Unterbrechung. Partnerschaft in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 2 Abs. 6 ArGV wird durch Zeiten des Auslandsaufenthaltes bis zur Dauer von jeweils 6 Monaten die Frist des § 286 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB III nicht unterbrochen.§ 44 Abs. 4 AuslG ist insoweit nicht anwendbar.
2. Die Ausreise eines geduldeten Ausländers führt nicht zu einer Beendigung des Aufenthalts im Sinne des § 286 SGB III, wenn sie der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Visumsverfahrens unter Ausschaltung der besonderen Versagungsgründe gemäß § 8 Abs. 1 AuslG dient.
3. Da das Gesetz für den Erwerb des Rechts der Arbeitsberechtigung gemäß § 286 Abs. 1 Nr. 1b SGB III speziell auf die Dauer des Aufenthalts abstellt, ist gemäß § 55 Abs. 3 AsylVfG der bloße Zeitraum einer Aufenthaltsgestattung auf die Dauer des Aufenthalts nicht anzurechnen.
4. Unabhängig von der besonderen verfassungsrechtlichen Privilegierung von Ehe und Familie durch Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) fallen andere, rechtlich zulässige Formen des Zusammenlebens – hier: Partnerschaft in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft – unter den Schutz der Privatsphäre durch Artikel 2 Abs. 1 GG und durch Artikel 8 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950 (EMRK). Wenngleich sich auch aus diesen grundlegenden Bestimmungen kein unmittelbarer Anspruch eines Klägers auf Erteilung der streitigen Arbeitserlaubnis ergibt, ist doch bei der Prüfung, ob die Versagung der Arbeitserlaubnis nach den besonderen Verhältnissen des Arbeitnehmers eine Härte i. S. von § 2 Abs. 7 AEVO bedeuten würde, die in diesen Grundnormen zum Ausdruck kommende Schutzfunktion zu berücksichtigen.
Normenkette
SGB III §§ 286, 284 Abs. 1 Nr. 2; AuslG §§ 55-56, 44 Abs. 4, § 8 Abs. 1; ArGV § 2 Abs. 6; AsylVfG § 55 Abs. 3; AEVO § 2 Abs. 6-7; EMRK Art. 8 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Leipzig (Aktenzeichen S 9 AL 896/97) |
Tenor
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten – auch der Berufungsinstanz – zu erstatten.
Tatbestand
Nachdem dem Kläger am 09.08.2002 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, haben die Beteiligten aufgrund der Vorschrift des § 284 Abs. 1 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch übereinstimmend das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Nunmehr streiten sie noch darüber, ob die Beklagte dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten hat.
In der Hauptsache war zwischen den Beteiligten der Anspruch des Klägers auf eine Arbeitsberechtigung bzw. - ggf. - eine unbefristete Arbeitserlaubnis streitig.
Der 1968 geborene Kläger ist russischer Staatsangehöriger. Nach einer 8-jährigen, allgemeinbildenden Schulausbildung absolvierte er eine 3-jährige Ausbildung in der Schuhproduktion, während der er die Abendschule besuchte, sowie eine halbjährige Ausbildung zum Reiseführer absolvierte. In dem Beruf als Reiseführer arbeitete er anschließend ein Jahr lang.
Während einer Reise nach Deutschland lernte der Kläger 1990 den 1957 geborenen, deutschen Staatsangehörigen F. M. kennen. Aus dieser Bekanntschaft entwickelte sich im Laufe der folgenden Jahre eine bis heute bestehende, auf Dauer angelegte eheähnliche Lebensgemeinschaft.
Am 06.05.1991 reiste der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er war dabei im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis in Form eines Sichtvermerks, die von der Deutschen Botschaft in Moskau am 18.04.1991 für den Zeitraum vom 02. bis zum 30.05.1991 ausgestellt worden war. Am 12.06.1991 stellte der Kläger einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, der durch Bescheid vom 23.10.1991 abgelehnt wurde. Die hiergegen erhobene Klage wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 07.02.1995 als unbegründet zurückgewiesen. Ein Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg (Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes vom 19.01.1996, ebenso die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde).
Während des Asylverfahrens war der Kläger im Besitz einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens (gemäß § 20 bzw. 63 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG - ausgestellt vom Landratsamt Reichenbach/Vogtl. bzw. vom Landratsamt Leipziger Land), die erstmals am 18.06.1991 ausgestellt und mehrfach verlängert wurde, zuletzt bis zum 20.08.1996. Das Regierungspräsidium Chemnitz erteilte dem Kläger am 03.05.1996 eine Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gemäß §§ 55 , 56 Ausländergesetz - AuslG - i. V. m. § 5 Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO .
Die Aufenthaltsgestattung wurde zunächst auf den Landkreis Reichenbach beschränkt. Ein Antrag des Klägers vom 11.09.1991 auf Umverteilung zu seinem Lebensgefährten, F. M., nach Leipzig, wurde durch die Ausländerbehörde Chemnitz zunächst abgelehnt (Bescheid vom 21.11.1991). Einem 2. Umverteilungsantrag vom 08.12.1992 wurde am 06.04.1993 stattgegeben, in dem die Aufenthaltsges...