Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Heilmittelerbringer. Betrieb einer Praxisnebenstelle. Zulassung ist ortsbezogen zu verstehen. Mitverschulden ist auf Schadensersatzanspruch beschränkt. Verfassungsmäßigkeit des § 124 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 5. Vergütung für Heilmittel. Praxisräume. Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 124 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 5 ist ortsbezogen zu verstehen.

2. § 254 BGB ist auf Schadensersatzansprüche beschränkt und findet im Bereicherungsrecht keine Anwendung.

 

Orientierungssatz

Bei der Regelung des § 124 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 5 idF vom 14.11.2003 ist handelt es sich um eine verfassungsrechtlich zulässige Berufsausübungsregelung, die das Gebot beinhaltet, zu Behandlungszwecken taugliche Praxisräume zu unterhalten (vgl BSG vom 29.11.1995 - 3 RK 25/94 = BSGE 77, 108 = SozR 3-2500 § 126 Nr 1).

 

Normenkette

SGB V § 124 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 6 S. 1, § 125 Abs. 2; BGB §§ 814, 254, 242; GG Art. 12 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.04.2016; Aktenzeichen B 3 KR 23/15 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 15. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.719,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin die Vergütung für auf der Insel H in der Zeit vom 5. Juli 2006 bis 25. Juli 2007 erbrachte und bereits abgerechnete physiotherapeutische Leistungen zu erstatten hat.

Die Beklagte ist ausgebildete Masseurin und medizinische Bademeisterin.

Mit Bescheid vom 10. Januar 2005 erteilte die AOK Sachsen der Beklagten eine "Zulassung zur Erbringung physiotherapeutischer Leistungen". Der Bescheid war an die im entsprechenden Antrag genannte Adresse "B-straße, D gerichtet. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens hatte die Beklagte unter anderem den Mietvertrag über die Räumlichkeiten in der B-straße, einen Grundriss der Räumlichkeiten sowie den "Bericht über die Überprüfung von physiotherapeutischen Praxen/Betrieben" des VDB-Physiotherapieverbands e.V. vorgelegt, der nach einer Praxisbegehung im November 2004 angefertigt worden war. Außerdem hatte sie am 30. November 2004 einen Verpflichtungsschein unterschrieben, in dem unter anderem § 124 Abs. 2 und Abs. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) angegeben gewesen war. Die Beklagte hatte mit ihrer Unterschrift bestätigt, "die derzeit gültige Vereinbarung und Preisliste" anzuerkennen. In dem Zulassungsbescheid wurde ausgeführt:

"Sie erfüllen mit der Beschäftigung einer verantwortlichen fachlichen Leiterin die Voraussetzungen, um Leistungen gegenüber Versicherten der AOK erbringen zu können. Deshalb erteilen wir Ihnen hiermit gem. § 124 Abs. 5 SGB V die gewünschte Zulassung zur Abgabe physiotherapeutischer Leistungen ab 09. November 2004.

Bitte beachten Sie, dass die Zulassung nicht übertragbar ist. Sie gilt, solange

Frau K. R.

als verantwortliche fachliche Leiterin in Ihrer physiotherapeutischen Praxis

B-str.

D.

beschäftigt ist.

Für unser Rechtsverhältnis ist der mit dem IFK, ZVK, VDB und VPT geschlossene Rahmenvertrag einschließlich der Anlagen der jeweils gültigen Fassung maßgebend."

Im streitgegenständlichen Zeitraum erbrachten die Beklagte und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Verordnungen durch unter anderem in B./R., V./H. und S. zugelassene Kassenärzte hin physiotherapeutische Leistungen gegenüber Versicherten der Klägerin. Die Beklagte versah die Verordnungen jeweils mit dem Praxisstempel der "Physiotherapie B."; der Stempel führte ausschließlich die Angaben

"B-straße

D.

Tel. …".

Die mit der Abrechnung betraute Firma "o. d. Abrechnungs GmbH" übersandte der Klägerin die kassenärztlichen Verordnungen jeweils mit einem Rezeptbegleitschein. Darin wurden unter der Überschrift "Leistungserbringerinformationen" folgende Angaben gemacht:

"IK-Nummer   : …

Name und Anschrift …: Physiotherapie C. B. B-str. …".

Die Klägerin bezahlte auf die Rechnungen für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Gesamtbetrag von 5.719,00 EUR.

Erst als sich die Klägerin wegen der nachträglichen Genehmigung von Verordnungen außerhalb des Regelfalles an von der Beklagten behandelte Versicherte wandte, erfuhr sie ausweislich der darüber gefertigten Gesprächsnotizen vom 17. Juli 2007, dass die Beklagte die physiotherapeutischen Behandlungen auf der Insel H. vorgenommen hatte.

Unter dem 17. Juli 2007 teilte die Beklagte der Klägerin fernmündlich mit, der Vorsitzende ihres Berufsverbandes habe ihr bestätigt, dass die Erbringung von physiotherapeutischen Leistungen auf der Insel H. ohne Praxiszulassung nicht möglich sei. Es tue ihr sehr leid, dass sie aus Unkenntnis gehandelt habe.

Die Klägerin stellte nunmehr die Zahlungen an die Beklagte ein.

Mit Schreiben vom 16. August 2007 teilte die Beklagte der Klägerin unter anderem mit, für die kleine Praxis auf H. gebe es "noch keinen direkten fachlichen Leiter". Die kleine Praxis s...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge