Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. ortsgebundene Zulassung einer Physiotherapiepraxis. Beschränkung auf beantragte Räumlichkeiten. Zweigniederlassung. gesonderte Zulassung. kein Verstoß gegen Verfassungsrecht

 

Orientierungssatz

1. Die Zulassung einer Physiotherapiepraxis ist ortsgebunden und beschränkt sich auf die Räumlichkeiten, für die die Zulassung beantragt wurde.

2. Eine Zweigniederlassung bedarf einer gesonderten Zulassung.

3. Eine Gesetzesregelung, die die Zulassung von einer Praxisausstattung, die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung gewährleistet, abhängig macht, verstößt nicht gegen Art 12 GG. Das Erfordernis einer bestimmten Praxisausstattung ist Ausdruck des Gebots zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung und damit durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert (vgl BSG vom 27.3.1996 - 3 RK 25/95 = BSGE 78, 125 = SozR 3-2500 § 124 Nr 5).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.04.2016; Aktenzeichen B 3 KR 23/15 R)

 

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin bereits vergütete physiotherapeutische Leistungen im Zeitraum vom 05.07.2006 bis 25.07.2007 in Höhe von insgesamt 5.719,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.08.2008 zu erstatten.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 5.719,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte bereits abgerechnete Leistungen der Physiotherapie in dem Zeitraum vom 05.07.2006 bis 25.07.2007 der Klägerin erstatten muss.

Die Beklagte ist ausgebildete Masseurin und medizinische Bademeisterin. Im November 2004 beantragte sie bei der AOK Sachsen die Zulassung für eine Praxis für Physiotherapie. Praxisinhaberin sollte die Beklagte selber sein und als fachliche Leiterin wurde die Physiotherapeutin K. R. benannt. Darüber hinaus benannte sie zunächst zwei weitere Mitarbeiterinnen. Die Zulassung wurde beantragt für die Praxis “B-Straße ..., ... D.„. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens legte die Beklagte unter anderem den Mietvertrag über die Räumlichkeiten in der B-Straße ..., einen Grundriss der Räumlichkeiten sowie den “Bericht über die Überprüfung von physiotherapeutischen Praxen/Betrieben„ des VDB-Physiotherapieverband e.V. vor, der nach einer Praxisbegehung im November 2004 angefertigt worden war. Auf den in der unblattierten Vertragspartnerakte befindlichen Bericht wird Bezug genommen. Ferner unterschrieb die Beklagte einen Verpflichtungsschein, in dem sie mit bestem Wissen und Gewissen bestätigt, die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 124 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zu erfüllen. Darüber hinaus erkannte sie in diesem Verpflichtungsschein die “derzeit gültige Vereinbarung und Preisliste„ an.

Mit Bescheid vom 10.01.2005 erteilte die AOK Sachsen der Beklagten die Zulassung zur Erbringung physiotherapeutischer Leistungen. Der Bescheid ist an die Adresse “Physiotherapie C. B., B-straße ..., ... D.„ adressiert. In dem Bescheid heißt es wörtlich:

“Sie erfüllen mit der Beschäftigung einer verantwortlichen fachlichen Leiterin die Voraussetzungen, um Leistungen gegenüber Versicherten der AOK erbringen zu können. Deshalb erteilen wir Ihnen hiermit gemäß § 124 Abs. 5 SGB V die gewünschte Zulassung zur Abgabe physiotherapeutischer Leistungen ab 09. November 2004. Bitte beachten Sie, dass die Zulassung nicht übertragbar ist. Sie gilt solange Frau K. R. als verantwortliche fachliche Leiterin in Ihrer physiotherapeutischen Praxis B-Straße ... D. beschäftigt ist. Für unser Rechtsverhältnis ist der mit dem IFK, ZVK, VDB und VPT geschlossene Rahmenvertrag einschließlich der Anlagen in der jeweils gültigen Fassung maßgebend.„

In dem Zeitraum vom 05.07.2006 bis 25.07.2007 behandelte die Beklagte bzw. ihre Mitarbeiterinnen auf kassenärztliche Verordnung auf der Insel H. Versicherte der Beklagten mit Heilmitteln. Die Beklagte versah die Verordnungen jeweils mit dem Praxisstempel “Physiotherapie B, B-straße ..., ... D., Tel. .../...„. Die mit der Abrechnung betraute Firma O. GmbH übersandte der Klägerin die kassenärztlichen Verordnungen jeweils mit einem Rezeptbegleitschein. In diesem werden unter der Überschrift “Leistungserbringerinformationen„ folgende Angaben gemacht:

IK-Nr.: …

Name und Anschrift: Physiotherapie C. B., B-Straße, ... D.

Die Klägerin beglich die entsprechenden Leistungen. Erst als die Beklagte anlässlich einer nachträglichen Genehmigung von Verordnungen außerhalb des Regelfalles Kontakt mit Versicherten aufnahm, wurde sie von diesen im Juli 2007 darüber informiert, dass die Beklagte die Heilmittel auf der Insel H. abgegeben hatte. Die Klägerin stellte daraufhin die Zahlungen an die Beklagte ein.

Mit Schreiben vom 16.01.2008 übersandte die Klägerin der Beklagten eine Aufstellung der im streitgegenständlichen Zeitraum abgerechneten Heilmittelleistungen, die die Beklagte auf der Insel H. erbracht hatte und forderte die Rückzahlung der erbrachten Leistungen in Höhe von 5.719,00 € sowie e...

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