nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Landwirtschaftliche Unfallversicherung. Beitragspflicht. Landwirtschaftliches Unternehmen. Landschaftspflege

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Bewirtschaftung einer Fläche von weniger als 0,12 ha kann ein landwirtschaftliches Unternehmen darstellen, wenn es sich nicht um eine Spezialkultur handelt und der zur Begründung eines landwirtschaftlichen Unternehmens erforderliche Mindestarbeitsaufwand erreicht wird.

2. Das gelegentliche (zweimal im Jahr) Mähen einer 0,19 ha großen Wiese ohne weitere Nutzung des abgemähten Grases erfordert jedenfalls nicht mehr als zehn Stunden jährlich und ist daher von seinem geringen Umfang her nicht geeignet, ein landwirtschaftliches Unternehmen zu begründen.

3. Wenn bereits der Arbeitsaufwand nicht ausreicht, um ein landwirtschaftliches Unternehmen zu begründen, kann sich die Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht des Klägers auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Landschaftspflege ergeben, weil auch dort – wie in den in § 776 RVO genannten landwirtschaftlichen Unternehmen – ein Mindestarbeitsaufwand vorausgesetzt wird. Der ab dem Umlagejahr 1997 anzuwendende, mit § 776 Abs. 1 Nr. 1 RVO wortgleiche § 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII setzt ebenfalls einen Mindestarbeitsaufwand voraus.

 

Normenkette

RVO § 776 Abs. 1 Nr. 1; SGB VII § 123 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

SG Dresden (Entscheidung vom 31.07.1999; Aktenzeichen S 5 U 5/99 LW)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 31. Juli 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Bescheide vom 24. Februar 1999, vom 21. Februar 2000 und vom 22. Februar 2001 werden aufgehoben.

III. Die Beklagte hat der Klägerin auch ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin kraft Gesetzes in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung beitragspflichtig versichert ist.

Mit Schreiben vom 22.2.1996 teilte die Klägerin mit, sie habe aus dem Nachlass ihres im ... verstorbenen Vaters eine Grundstücksfläche von 0,19 ha zu Eigentum erhalten. Die Wiesenfläche werde zweimal im Jahr gemäht. Das "Futter" werde kompostiert. Mit Bescheid vom 14.5.1998 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass diese hinsichtlich des Grundstücks von 0,19 ha seit 1995 ein landwirtschaftliches Unternehmen betreibe. Insoweit sei sie kraft Gesetzes beitragspflichtig versichert. Mit Beitragsbescheid vom 19.5.1998 wurde von der Klägerin für die Jahre 1995 und 1996 jeweils ein Beitrag von 40,00 DM, insgesamt 80,00 DM, und für das Jahr 1997 ein Beitrag von 54,40 DM erhoben (Blatt 6 der Beklagtenakte). Gegen den Beitragsbescheid vom 19.5.1998 legte die Klägerin mit der Begründung Widerspruch ein, sie habe zu keiner Zeit ein landwirtschaftliches Unternehmen betrieben (Schreiben vom 15.6.1998). Durch Widerspruchsbescheid vom 16.12.1998 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Im Widerspruchsverfahren wurden sowohl der Bescheid vom 14.5.1998 als auch der Bescheid vom 19.5.1998 auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft.

Mit ihrer vor dem Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, das streitgegenständliche Grundstück sei mit Gras und Sträuchern bewachsen. Die Fläche sei Brachland und werde landwirtschaftlich nicht genutzt. Ohne ihre vorherige Kenntnis habe ihr ortsnah wohnender Bruder in den Jahren 1996 und 1997 die Wiese zweimal im Jahr gemäht und das Mähgut kompostiert. Das maschinelle Mähen der Wiese habe jeweils 20 Minuten gedauert. Seither werde die Wiese überhaupt nicht mehr bewirtschaftet. Entgegen der Auffassung der Beklagten handele es sich bei den hier streitgegenständlichen Mäh- und Kompostierungsarbeiten jedoch nicht um eine planmäßige Aufzucht von Bodengewächsen. Das bloße "unkontrollierte" Mähen der Wiese diene auch nicht der Gewinnung organischer Naturerzeugnisse. Im Übrigen sei der Arbeitsaufwand für die Bewirtschaftung so gering, dass ein landwirtschaftliches Unternehmen noch nicht vorliege. Vor allem aber sei sie schon deswegen keine Unternehmerin, weil ihr Bruder die Wiese gemäht habe. Schließlich handele es sich auch nicht um Landschaftspflege. Die historische Auslegung der insoweit maßgeblichen Vorschrift belege, dass diese Vorschrift im Wesentlichen die Pflege der im Rahmen der EG-Agrarordnung stillgelegten Produktionsflächen als neuen Tatbestand habe einführen wollen. Auch sei die Wiese ein versicherungsfreier Kleingarten.

Die Beklagte hat hierauf erwidert, sie habe durch einen Außendienstmitarbeiter feststellen lassen, dass die Wiese ungepflegt gewesen und das Gras 40 cm hoch gestanden habe. Die Wiese werde einmal jährlich durch einen Nachbarn gemäht. Insoweit müsse davon ausgegangen werden, dass das Grundstück regelmäßig gepflegt werde.

Wegen der Einzelheiten der Flächenbesichtigung wird auf das Protokoll vom 27.7.1999 (Blatt 48 der SG-Akte) verwiesen.

Ferner hat die Beklagte an ihrer im Widerspruchsbescheid geäußerten Rechtsauffassung...

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