Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. mitarbeitender Familienangehöriger. Sommelier. Weinhandel. Familienunternehmen. Einzelhandelsbetrieb. Stellvertreter. Unternehmerstellung. Abgrenzung. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit
Orientierungssatz
Zur Sozialversicherungspflicht eines mitarbeitenden Familienangehörigen in einem als Einzelfirma geführten Betrieb.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 abgeändert und unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 28. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2005 festgestellt, dass der Kläger ab dem 24. Juni 2001 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen je zur Hälfte. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Der 1966 geborene Kläger ist gelernter Wasser- und Gasinstallateur und war seit 1986 im Gemüse-, Obst- und Getränkeladen seiner Mutter, der Beigeladenen zu 3, tätig. Seit 01.01.1991 ist er Mitglied der beklagten Krankenkasse, an den die Beigeladene zu 3 für ihn Gesamtsozialversicherungsbeiträge abführt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 01.06.1991 war der Kläger als “Stellvertreter„ eingestellt und berechtigt, Waren zu bestellen und zu kaufen, sowie für Personalfragen in Abwesenheit der Beigeladenen zu 3 zuständig. 1991 wurden Lebensmittel- und Getränkeverkauf getrennt: Für den Verkauf von Lebensmitteln, vor allem Obst und Gemüse, wurde ein Laden auf der gegenüberliegenden Straßenseite bezogen, während der Getränkeverkauf am bisherigen Standort verblieb. Seit der Trennung von Lebensmittel- und Getränkeverkauf war der Kläger im Getränkeladen tätig, den er sukzessive in Richtung Weinhandlung entwickelte. In beiden Läden waren zunächst sechs Mitarbeiter (unter Einschluss des Klägers) tätig. Nach der Eröffnung weiterer Lebensmittelmärkte in der Umgebung blieben ab 1995 zwei Mitarbeiter (unter Einschluss des Klägers) übrig. Ab 1996/97 wurde das Gebäude, in dem sich der Getränkeladen befand und das Im Eigentum des Ehemannes und des Bruders der Beigeladenen zu 3 steht, umgebaut. Auf Drängen des Klägers wurde dort eine Weinprobierstube eingerichtet, die am 06.02.1999 eröffnet wurde. Am 23.06.2001 kam es zum Brand im Lebensmittelladen, der daraufhin geschlossen wurde. Seither handelt es sich es sich bei dem Geschäft, dessen Inhaberin weiterhin die Beigeladene zu 3 ist, um eine Weinhandlung mit angeschlossener Gaststätte.
Unter dem 19.04.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit als mitarbeitender Familienangehöriger und legte einen Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen vom 18.03.2004 vor. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 28.07.2004 fest, dass die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 3 ab dem 01.01.1991 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege. Bei der Weinhandlung handele es sich um ein Einzelunternehmen in dem die Beigeladene zu 3 das Unternehmerrisiko trage. Es bestehe ein schriftlicher Arbeitsvertrag. Bei Nichtbeschäftigung des Klägers wäre eine andere Arbeitskraft einzustellen. Die Tätigkeit werde angemessen vergütet. Das Arbeitsentgelt werde als Betriebsausgabe gebucht und von ihm Lohnsteuer entrichtet.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei nicht nur weisungsfrei und eigenverantwortlich tätig, sondern erhalte für seinen Arbeitseinsatz (wöchentlich 60 Stunden) auch kein angemessenes Entgelt (monatlich 1.449,00 EUR brutto). Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2005 den Widerspruch zurück. Die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwögen. Der Arbeitsvertrag vom 01.06.1991 enthalte eindeutig arbeitnehmertypische Regelungen. Das gewährte Arbeitsentgelt könne als angemessen angesehen werden, da es deutlich über bloße Unterhaltsleistungen hinausgehe. Weiterhin unterliege das Gehalt der Lohnsteuerpflicht und werde als Betriebsausgabe verbucht. Der Kläger könne über das Gehalt frei verfügen. Außerdem ersetze er eine fremde Arbeitskraft. Dass er bei der Ausübung seiner Tätigkeit möglicherweise weder konkreten Einzelanweisungen unterliege noch an bestimmte Arbeitszeiten gebunden sei - die sich allerdings unter Berücksichtigung der Ladenöffnungszeiten ohnehin aus der Natur der Sache ergäben rechtfertige keine andere Beurteilung, da bei Diensten höherer Art die funktionsgerecht dienende Teilnahme am Arbeitsprozess an die Stelle der Weisungsgebundenheit ...