Verfahrensgang

SG Chemnitz (Urteil vom 13.10.1997; Aktenzeichen S 14 Kn 260/96.U)

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.08.1999; Aktenzeichen B 2 U 313/98 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 13. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.

Die Klage gegen die Unfallkasse Sachsen-Anhalt wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit.

Der am … geborene Kläger begann 1957 eine Lehre als Dreher im Sachsenwerk …. Ab März 1964 war er im Gaswerkkombinat … als Maschinist tätig. Seit August 1992 ist er als Schleifer/Gravierer in der Formzeugwirtschaft der Lausitzer … beschäftigt.

Mit Schreiben vom 19.08.1992 erfolgte eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit an die Beigeladene. Dort ist angegeben, daß eine Schwerhörigkeit erstmals 1981 auftrat. In dem beigelegten Tonaudiogramm ist ein Hörverlust von 23,4 % rechts und 28,0 % links eingetragen. Eine Auswertung des Audiogramms nach den Richtlinien des Königssteiner Merkblattes ergebe allerdings einen Hörverlust von 15 % rechts und 20 % links (Tabelle Röser 1980). Der Kläger schilderte die Lärmbelastung im Gaskombinat … folgermaßen: Die gesamte Rohgaserzeugung sei unter einem hohen Druck abgelaufen und somit immer von einem überdurchschnittlichen Lärm begleitet gewesen. Bestimmte Betriebssituationen, wie insbesondere das Hochdruckdampfausblasen seien mit starker Lärmabstrahlung verbunden gewesen; hier habe im wahrsten Sinne des Wortes mitunter ein ohrenbetäubender Lärm geherrscht. Ihm selber seien die Lärmauswirkungen kaum bewußt geworden. Erst Bekannte hätten ihn darauf aufmerksam gemacht, daß nach ca. zwei Jahren Tätigkeit seine Hörleistungen nachgelassen hätten.

Am 31.08.1992 folgte die Anzeige des Arbeitgebers – ebenfalls gerichtet an die Beigeladene. Diese gab jedoch den Vorgang mit dem Hinweis, daß es sich um einen Altfall handelte, an die Beklagte ab. Die Beklagte veranlagte eine Begutachtung durch Prof. Dr. Fritz, welcher nach Untersuchung des Klägers eine Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits durch Einwirkung von Berufslärm diagnostizierte, die dadurch bedingte MdE jedoch mit „0” bezifferte. Die Diagnose Lärmschwerhörigkeit stütze er auf den für diesen Schaden des Innenohres typischen Kurvenverlauf im Tonschwellen-Audiogramm sowie auf fehlende Zeichen einer pathologischen Ermüdung, welche auf eine neurale Ursache schließen lassen würden.

Da sich aus dem Sprach-Audiogramm allerdings unter Anwendung der Grundsätze des Königsteiner Merkblattes eine MdE von 0 % ergab, legte Prof. … diesen Wert auch seiner eigenen Einschätzung zugrunde.

Entsprechend lautete der Bescheid der Beklagten vom 12.07.1994: Anerkannt wurde eine „Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseitig und Lärmschwerhörigkeit in den hohen Frequenzen durch Einwirkung von Berufslärm”, die Bewilligung einer Rente wurde jedoch abgelehnt.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch: Er sei nach der Lärmschwerhörigkeitsanzeige in eine Tätigkeit umgesetzt worden, welche zwei Gehaltsgruppen tiefer dotiert sei. Also sei seine Erwerbsfähigkeit durchaus gemindert. Leider sei er zu DDR-Zeiten immer vertröstet worden, obwohl er damals schon einen Rentenantrag hätte stellen können.

Hierauf kam es zum negativen Kompetenzkonflikt zwischen mehreren Versicherungsträgern. Die Beklagte schrieb zunächst die BG Feinmechanik und Elektrotechnik an, welche allerdings schon aus branchenspezifischen Gründen ihre Zuständigkeit verneinte und die Beklagte an die BG Gas- und Wasserwerke verwies, weil diese für das Energiekombinat Schwarze Pumpe zuständig sei. Die Beigeladene BG Gas- und Wasserwerke verneinte jedoch gleichfalls ihre Zuständigkeit, und zwar mit der zunächst mündlich gegebenen Begründung, der Versicherungsfall sei vor dem 01.01.1992 eingetreten, also gelte der Verteilerschlüssel nach dem Geburtsdatum. Es folgte ein schriftlicher Bescheid des Inhalts, daß es ohne krankhaften Befund gar keinen Versicherungsfall gebe und schön deswegen keine Bearbeitung möglich sei. Daraufhin wies die Beklagte in eigener Zuständigkeit den Widerspruch unter Bezugnahme auf das Gutachten von Prof. … zurück (Bescheid vom 27.12.95).

Die dagegen zunächst entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung am 17.01.96 zum Sozialgericht Dresden erhobene Klage wurde mit Beschluß vom 05.06.96 gemäß § 98 SGG in der Auffassung, es handele sich um eine Knappschaftsangelegenheit, an das Sozialgericht Chemnitz (SG) verwiesen.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und dem Gutachter Dr. Chefarzt der HNO-Klinik Chemnitz folgende Fragen gestellt:

  1. Liegt eine Lärmschwerhörigkeit vor oder besteht eine Lärmschwerhörigkeitskomponente oder hat die Schwerhörigkeit außerberufliche Ursachen? Wenn ja, welche?
  2. Sofern eine berufliche Lärmschwerhörigkeit besteht, handelt es sich um eine leichtgradige, mittelgradige oder hochgradige Lärmschwerhörigkeit?
  3. Welche Minderung der Erwerbsfähigkeit res...

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