Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Notdienst. Rechtmäßigkeit der Heranziehung angestellter Ärzte eines MVZ. Umfang der Teilnahme. keine Befreiung bei Bereitschaftsdiensten für ein Krankenhaus
Leitsatz (amtlich)
1. Angestellte Ärzte, die in einem Medizinischen Versorgungszentrum oder einer Vertragsarztpraxis vertragsärztlich tätig sind, dürfen jedenfalls dann zum kassenärztlichen Bereitschaftsdienst (Notfalldienst) herangezogen werden, wenn sie Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung sind.
2. Der Grundsatz der gleichmäßigen Belastung aller in Betracht kommenden Ärzte gebietet es, bei der Heranziehung zum kassenärztlichen Bereitschaftsdienst (Notfalldienst) zu berücksichtigen, in welchem Umfang der jeweilige Arzt im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tätig sein darf.
3. Bereitschaftsdienste für ein Krankenhaus, die ein Arzt zusätzlich zu seiner vertragsärztlichen Tätigkeit erbringt, gebieten nicht die Befreiung vom kassenärztlichen Bereitschaftsdienst (Notfalldienst).
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 12. August 2010 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Befreiung vom kassenärztlichen Bereitschaftsdienst.
Der Kläger ist Facharzt für Radiologie. Von 1994 bis 2002 war er als Vertragsarzt zugelassen; vom kassenärztlichen Bereitschaftsdienst war er befreit (Bescheid vom 24.08.1994). Anschließend war er bis 31.05.2007 als angestellter Krankenhausarzt tätig und seit 2004 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Vom 01.06.2007 bis zum 30.09.2007 war er in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) des Krankenhausträgers angestellt. Seit 01.04.2008 ist er wieder in diesem MVZ als vollzeitangestellter Arzt tätig.
Nachdem der Kläger informiert worden war, dass er am kassenärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen müsse, beantragte er mit Schreiben vom 02.04.2008 die Befreiung davon. In seinen bisherigen vertragsärztlichen Tätigkeiten habe er am Bereitschaftsdienst nicht teilnehmen müssen. Durch seine Teilnahme an der radiologischen Rufbereitschaft des Krankenhauses decke er die radiologische Notfallversorgung mit etwa 180 Rufbereitschaftsdiensten ab. Zudem gehöre eine allgemeinärztliche Tätigkeit nicht zu seinem Fachgebiet. Mit Bescheid vom 13.05.2008 lehnte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) den Antrag ab. Zu den Befreiungstatbeständen nach § 8 ihrer Bereitschaftsdienstordnung (BDO) gehöre eine radiologische Tätigkeit nicht. Da auch Radiologen einen unmittelbaren Patientenkontakt hätten, gebe es keinen Grund, sie vom Bereitschaftsdienst zu befreien. Ebenso wenig stelle die zusätzlich für das Krankenhaus übernommene radiologische Rufbereitschaft einen Befreiungsgrund dar. Der Kläger legte Widerspruch ein und machte geltend, zusätzliche Dienste für die Ärzte der Bereitschaftsdienstgruppe fielen nicht an, weil er bislang nicht am Bereitschaftsdienst teilgenommen habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Sicherstellung der Notfallversorgung am Krankenhaus gehöre nicht zu den in § 8 BDO aufgeführten Befreiungsgründen. Die Möglichkeit, Vertragsärzte aufgrund ihrer radiologischen Tätigkeit vom Bereitschaftsdienst zu befreien, werde nicht mehr gesehen.
Der Kläger hat am 19.09.2008 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben. § 1 Abs. 1 BDO sei keine wirksame Grundlage für die Heranziehung zum kassenärztlichen Bereitschaftsdienst, weil die Teilnahmeverpflichtung angestellte Ärzte unabhängig vom Beschäftigungsumfang treffe, obwohl nur angestellte Ärzte, die mindestens halbtags beschäftigt seien, der Satzungsgewalt der Beklagten unterworfen seien. Seiner Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst stünden die Grundsätze der Selbstbindung der Verwaltung und des Vertrauensschutzes entgegen. Seit 1994 sei er jahrelang nicht zum Bereitschaftsdienst herangezogen worden; auf den Fortbestand dieses Zustandes habe er vertrauen dürfen. Dies gelte umso mehr, als der Befreiungsbescheid vom 24.08.1994 nie aufgehoben worden sei und auch nicht aufgehoben werden könne. Zudem sei er gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BDO vom Bereitschaftsdienst zu befreien, da seine Bereitschaftsdienste im Krankenhaus ohne Weiteres mit einer Belegarzttätigkeit vergleichbar seien.
Die Beklagte hat erwidert, als vollzeitangestellten Arzt beträfen den Kläger die vorgebrachten Gründe zur Rechtswidrigkeit des § 1 Abs. 1 BDO nicht. Auf Vertrauensschutz könne er sich nicht berufen. Der Befreiungsbescheid vom 24.08.1994 habe mit dem Verzicht auf die Zulassung zum 31.07.2002 seine Wirksamkeit verloren. Als ermächtigter Arzt sei er nach der BDO nicht zum Bereitschaftsdienst verpflichtet gewesen. Die zusätzlich übernommenen radiologischen Bereitschaftsdienste im Krankenhaus stellten keinen Befreiungsgrund dar, da sie anders ...