Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Notdienst. Rechtmäßigkeit der Heranziehung angestellter Ärzte eines MVZ. Umfang der Teilnahme. Verfassungsmäßigkeit. Unzulässigkeit eines im Widerspruchsverfahren hilfsweise geltend gemachten Anspruchs auf eine vollständige Befreiung vom Bereitschaftsdienst
Orientierungssatz
1. Angestellte Ärzte in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) sind zur Teilnahme am kassenärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichtet, sofern sie nicht davon befreit sind.
2. Einer Teilnahmeverpflichtung steht weder entgegen, dass der Arzt nur ein im MVZ angestellter Arzt ist noch dass die Beschäftigung mit einem Anrechnungsfaktor vom 0,25 ausgeübt wird.
3. Die Teilnahmeverpflichtung verstößt nicht gegen die durch Art 12 Abs 1 GG geschützte Berufsfreiheit.
4. Zur Unzulässigkeit eines im Widerspruchsverfahren hilfsweise geltend gemachten Anspruchs auf eine vollständige Befreiung vom Bereitschaftsdienst, wenn es an einem Ausgangsbescheid mit dem gem § 78 SGG durchzuführenden Widerspruchsverfahren fehlt.
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten zu 75 % und die Beklagte zu 25 %.
III. Der Streitwert wird endgültig auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Umstritten ist, ob der Kläger als in einem MVZ angestellter Arzt von der Beklagten zum Bereitschaftsdienst herangezogen werden kann.
Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin und nimmt mit Vertragsarztsitz in W. mit vollem Versorgungsauftrag an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Wirkung zum 13.01.2009 erteilte der Zulassungsausschuss dem MVZ K. gGmbH Ambulantes Herzzentrum (i.F.: MVZ K.) die Genehmigung zur Anstellung des Klägers mit dem Anrechnungsfaktor 0,25. Mit Bescheid vom 10.02.2009 hat die Beklagte aufgrund der Anstellung im MVZ den Kläger in den allgemeinen Bereitschaftsdienstbereich C./Stadt in Bezug auf den Fahrdienst und den Sitzdienst integriert. Der Kläger sei ab 13.01.2009 in vollem Umfang verpflichtet, am kassenärztlichen Bereitschaftsdienst entsprechend den Zeiten nach § 2 Abs. 2 Bereitschaftsdienstordnung (BDO) teilzunehmen. Die Teilnahme am Bereitschaftsdienst aufgrund der Niederlassung mit Vertragsarztsitz in Werdau bleibe davon unberührt.
Den dagegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2009 zurück.
Hiergegen richtet sich die vom Kläger am 07.10.2009 erhobene Klage. Für den Kläger bestehe keine Verpflichtung zur Teilnahme an einem weiteren Bereitschaftsdienst in C. Der Kläger arbeite im MVZ lediglich als angestellter Arzt, so dass für ihn weder aus vertragsarztrechtlichen noch aus berufsrechtlichen Gesichtspunkten eine Bereitschaftsdienstverpflichtung in C. bestünde.
Die Regelung der Beklagten in § 1 Abs. 1 BDO zur Verpflichtung von in MVZ angestellten Ärzten zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verstoße gegen höherrangiges Recht. Als im MVZ angestellter Arzt unterliege der Kläger insoweit schon nicht der Satzungshoheit der Beklagten. Die Mitgliedschaft aufgrund der Zulassung in W. sei unerheblich. Als angestellter Arzt sei er untauglicher Adressat einer Teilnahmeverpflichtung. Verpflichtet zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst sei das in C. zugelassene MVZ K. im Umfang seiner in Anstellungen umgewandelten Vertragsarztsitze.
Gemäß § 95 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) werde die Zulassung dem MVZ erteilt. Der Kläger besitze insoweit lediglich eine dem MVZ zustehende Anstellungsgenehmigung. Der Kläger sei mit dem Anrechnungsfaktor 0,25 nicht Mitglied der Beklagten. Die vertragsärztlichen Verpflichtungen würden nur das MVZ als Leistungserbringer treffen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) folge die Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst jedoch aus dem Zulassungsstatus. Die Anstellungsgenehmigung vermittle aber gerade keinen einer Zulassung vergleichbaren Status. Insbesondere die Verpflichtung, für die Versorgung der Versicherten im Umfang der Anstellungsgenehmigung zur Verfügung zu stehen, werde mit der dem MVZ erteilten Anstellungsgenehmigung festgelegt und nicht dem Arzt persönlich gegenüber ausgesprochen.
Die Heranziehung der angestellten Ärzte des MVZ sei auch unverhältnismäßig. Es bestünde keine Notwendigkeit, neben dem zugelassenen Leistungserbringer weitere Personen zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst zu verpflichten. Soweit ein MVZ seinen Versorgungsauftrag nur durch die bei ihm angestellten Ärzte erfüllen könne, gehöre es zu ihren ureigensten Rechten als Arbeitgeberin selbst zu entscheiden, welcher Arbeitnehmer und damit angestellte Arzt zu welchen Dienstzeiten in welchem Umfang in Anspruch genommen werde. In dieses Recht werde bei einer Diensteinteilung durch die Beklagte unmittelbar eingegriffen. Bei der Beachtung des Arbeitszeitgesetzes habe sich das MVZ daher nach der Diensteinteilung der Beklagten zu richten. Persönliche Belange der angestellten Ärzte bei der Diensteinteilung könnten aber vom MVZ als Arbeitgeberin viel besser berücksi...