Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer überzahlten Witwenrente nach § 50 Abs 2 SGB 10 aufgrund des Bezuges einer Altersrente. Erfüllungsfiktion nach § 107 Abs 1 SGB 10
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 50 Abs 2 SGB X ist in Fallkonstellationen, in denen aufgrund eines Erstattungsanspruchs eines Sozialleistungsträgers gegen einen anderen nach §§ 102ff SGB X eine Erfüllungsfiktion gem § 107 Abs 1 SGB X mit der Folge eintritt, dass Sozialleistungen doppelt erbracht werden, grundsätzlich anwendbar. Ein Erstattungsanspruch nach §§ 103 bzw 104 SGB X setzt jedoch voraus, dass der verpflichtete Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Hieran fehlt es, weshalb die Erfüllungsfiktion nach § 107 Abs 1 SGB X nicht eingetreten ist.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 12. November 2013 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rückforderung überzahlter Rente aufgrund des Bezuges von Witwenrente.
Die 1935 geborene Klägerin bezieht aufgrund eines Bescheides vom 25. Oktober 2000 seit dem 1. Januar 2001 Regelaltersrente von der Beklagten (vgl. Bl. 80 VA), die mit Rentenbescheid vom 13. September 2002 neu festgestellt wurde. Mit Bescheid vom 3. August 2009 wurde die Regelaltersrente für die Zeit ab dem 1. Januar 2003 neu festgesetzt, woraus sich für den Zeitraum bis zum 31. August 2009 eine Nachzahlung von 5.922 EUR ergab. Auf Seite 3 des Bescheides ist unter der Überschrift “Nachzahlung„ mitgeteilt, dass Ansprüche anderer Stellen auf Erstattung der Leistungen aus der Nachzahlung bisher nicht bekannt seien. Für den Fall, dass für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. August 2009 von anderen Stellen Leistungen bezogen worden seien, werde gebeten, diesen Bescheid den entsprechenden Stellen unverzüglich vorzulegen (Bl. 17 f. GA). Der Betrag wurde am 3. August 2009 an die Klägerin ausgezahlt (Bl. 173 VA).
Im Zeitraum 1. Juli 2003 bis 31. August 2009 bezog die Klägerin eine Witwenrente von der Beigeladenen aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 teilte diese der Beklagten mit, dass es aufgrund der rückwirkenden Erhöhung der Altersrente im Zeitraum 1. Juli 2003 bis 31. August 2009 zu einer Überzahlung der Witwenrente in Höhe von 1.922,48 EUR gekommen sei. Sie forderte den Betrag unter Berufung auf die Vorschriften der §§ 103 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) von der Beklagten zurück (Bl. 176 VA). Mit Schreiben vom 25. Januar 2012 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs in Höhe der Überzahlung an (Bl. 179 f. VA). Mit Bescheid vom 8. März 2012 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2012 forderte die Beklagte von der Klägerin den Betrag von 1.922,48 EUR zurück. Die Altersrentennachzahlung von 5.922,68 EUR hätte nicht in voller Höhe, sondern unter Abzug der überzahlten Witwenrente zur Auszahlung gebracht werden dürfen. Der Betrag sei ohne Rechtsgrund gezahlt worden und nunmehr nach § 50 Abs. 2 SGB X zurückzufordern. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X sei entsprechend anwendbar und seine Voraussetzungen würden vorliegen. Auf die Rechtmäßigkeit der Auszahlung der Rentennachzahlung habe sie nicht vertrauen dürfen, weil ihr die Anrechnung der Altersrente auf die Witwenrente aus dem Witwenrentenbescheid der Beigeladenen bekannt gewesen sei. Besondere Umstände, die einer Rückforderung entgegenstünden, seien nicht ersichtlich.
Mit Gerichtsbescheid vom 12. November 2013 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 8. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2012 aufgehoben. Rechtsgrundlage der Rückforderung könne nicht § 50 Abs. 2 SGB X sein, weil Grundlage der Auszahlung der ursprüngliche Rentenbescheid vom 25. Oktober 2000 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 3. August 2009 sei. Dieser möge zwar hinsichtlich der Überzahlung rechtswidrig gewesen sein, aber auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht aufgehoben worden sei, stelle eine Grundlage für eine gewährte Leistung dar. Außerdem würden die Voraussetzungen von § 45 SGB X nicht vorliegen, weil der Klägerin grobe Fahrlässigkeit nicht vorgeworfen werden könne.
Gegen den am 18. November 2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 11. Dezember 2013 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des Gerichts sei § 50 Abs. 2 SGB X anwendbar. Die Rente sei im Bescheid vom 3. August 2009 zutreffend bestimmt, weshalb dieser Bescheid nicht unrichtig sei. Fehlerhaft sei allein die Auszahlung der Nachzahlung gewesen, weil diese aufgrund eines Erstattungsanspruchs der Beigeladenen nach § 103 SGB X zugunsten dieser hätte einbehalten werden müssen. In Höhe dieses Erstattungsanspruches sei der Rentenanspruch der Klägerin nach § ...