Verfahrensgang
SG Leipzig (Urteil vom 26.05.1994; Aktenzeichen S 3 Kg 5/94) |
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26. Mai 1994 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten hat.
II. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beigeladene ist die Mutter des am 23.01.1947 geborenen H-P. Der Kläger gewährt seit 01.10.1992 H-P., welcher sich wegen erheblicher geistiger und körperlicher Behinderung in dem Reha- Zentrum Chemnitz befindet, Hilfe in besonderen Lebenslagen als erweiterte Hilfe.
Die Beigeladene ist Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 60. Sie ist Altersrentnerin und bezog bis 30.06.1993 Rente i.H.v. 1.650,08 DM, ab 01.07.1993 i.H.v. 1.835,49 DM monatlich. Wegen ihrer Gehbehinderung wandte sie monatlich 300,00 DM für fremde Hilfe auf.
H-P. verfügte über eine Rente wegen Erwerbsfähigkeit i.H.v. 1.119,49 DM (bis 30.06.1993) bzw. 1.227,02 DM (ab 01.07.1993) sowie über Wohngeld i.H.v. 186,00 DM (bis 30.03.1993) bzw. 82,00 DM (ab 01.04.1993) und Blindengeld i.H.v. 48,00 DM (bis 30.06.1993) bzw. 83,00 DM (ab 01.07.1993) monatlich. Dem stand Eingliederungshilfebedarf i.H.v. 2.947,82 DM (Stand Mai 1992) bis 3.113,75 DM (Stand Dezember 1993) gegenüber.
Die Beklagte gewährt der Beigeladenen Kindergeld für H-P i.H.v. 70,00 DM monatlich, welches dem Kläger im Wege der Abzweigung ausgezahlt wird (Bl. 7 VA).
Mit Schreiben vom 02.09.1993 machte der Kläger geltend, daß die Beigeladene Anspruch auf Kindergeldzuschlag nach § 11 a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) habe und beantragte die Abzweigung nach § 48 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).
Mit Bescheid vom 20.09.1993 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, da H-P das 16. Lebensjahr vollendet habe. Beim Kindergeld werde dieser nach § 2 Abs. 2 BKGG berücksichtigt. Nach § 32 Abs. 4 und 6 Einkommenssteuergesetz (EStG) stehe der Beigeladenen für das Kind jedoch kein Kinderfreibetrag und damit auch kein Kindergeldzuschlag gemäß § 11a Abs. 1 BKGG zu. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.1993 zurück.
Der Kläger hat hiergegen am 05.01.1994 das Sozialgericht Leipzig (SG) angerufen mit dem Ziel, der Beigeladenen Kindergeldzuschlag für das Jahr 1993 in gesetzlichem Umfang zu bewilligen und an ihn selbst auszuzahlen.
Mit Beschluß vom 11.01.1994 hat das SG die Beiladung vorgenommen und am 26. Mai 1994 der Klage mit Bescheidungsurteil stattgegeben.
Zur Begründung führt es im wesentlichen aus, nach § 11a Abs. 1 Satz 1 BKGG erhöhe sich das Kindergeld um den Kindergeldzuschlag für die Kinder, für die dem Berechtigten der Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG zustehe, wenn das zu versteuernde Einkommen des Berechtigten geringer als der Grundfreibetrag nach § 32 a Abs. 1 Nr. 1 EStG sei. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 5 EStG lägen vor, da H-P aufgrund seiner schweren Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Seine Einkünfte lägen unter den monatlich anfallenden Unterbringungskosten mithin unter seinem Lebensbedarf. Die Beigeladene sei Altersrentnerin und entrichte somit keine Lohn- bzw. Einkommenssteuer. Unstreitig leiste der Kläger Hilfe in besonderen Lebenslagen gemäß § 27 Abs. 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Die Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Kindergeldzuschlag und dessen Auszahlung an den Kläger sei erfüllt.
Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf ihre Dienstanweisung (DA) 11 a. 15 RdErl. 375/94 – 17. Ergänzung, nach welcher bei der Berücksichtigung behinderter Kinder nach den Lohnsteuerrichtlinien Unterhaltsleistungen der Sozialhilfe als Einkünfte des Kindes anzusehen seien, soweit das Sozialamt von einer Rückforderung bei den unterhaltsverpflichteten Personen absehe. Zwar stimmten die gesetzlichen Voraussetzungen zur Berücksichtigung behinderter Kinder im Kindergeldrecht und im Steuerrecht überein, gleichwohl divergiere die Rechtsanwendung aufgrund unterschiedlicher Verwaltungsanweisungen. Im Steuerrecht und im Kindergeldrecht würden die Bestimmungen über die Einkünfte, die zu berücksichtigen seien, und die Einkünfte, die unberücksichtigt bleiben, unterschiedlich angewandt.
Diese konkurrierende Rechtsanwendung sei einer einheitlichen, dem Zweck des § 11 a Abs. 1 BKGG dienlichen und der Motivationslage des Gesetzgebers entsprechenden Lösung zuzuführen.
Der Kläger begehre die Abzweigung einer für das Kind der Beigeladenen zu erbringenden Geldleistung im Sinne des § 48 Abs. 2 SGB I. In diesem Fall komme es auf die Feststellung, inwieweit der Leistungsberechtigte das Kind, für das ihm Geldleistungen erbracht werden, tatsächlich auch unterhalte, nicht an. Soweit dies nicht der Fall sei, seien allein damit die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Abzweigung einer für das Kind erbrachten Geldleistung jedenfalls nach § 48 Abs. 2 SGB I erfüllt. Da es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung der Beklagten handle, sei die Beklagte zu verpflicht...