Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Rahmenvertrag. Erbringung der häuslichen Behandlungspflege nur durch Pflegepersonal mit bestimmter beruflicher Qualifikation. Leistungsverweigerungsrecht bei Abweichen von Voraussetzungen. vertragliche Festschreibungen einer bestimmten Qualifikation stellen keine Regelungen mit bloßer Ordnungsfunktion dar

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sieht ein Rahmenvertrag nach § 132a SGB 5 vor, dass die häusliche Behandlungspflege nur durch Pflegepersonal mit einer bestimmten beruflichen Qualifikation erbracht werden darf, und wird gleichwohl die Leistung vertragswidrig durch minderqualifiziertes Pflegepersonal erbracht, hat die Krankenkasse gegen den Leistungserbringer auch dann ein Leistungsverweigerungsrecht bzw bei bereits gezahltem Entgelt einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, wenn die Leistung erbracht worden ist, ohne dass ein Behandlungsfehler nachgewiesen werden kann. Bei einer derartigen vom Vertrag abweichenden Leistung handelt es sich um ein Aliud, das den Leistungserbringer zu keiner Gegenleistung berechtigt.

2. Bei vertraglichen Festschreibungen einer bestimmten Qualifikation handelt es sich nicht um Regelungen mit bloßer Ordnungsfunktion, sondern um solche mit einer der Qualitätssicherung dienenden Steuerungsfunktion. Die Urteile des BSG vom 25.9.2001 - B 3 KR 15/00 R = SozR 3-2500 § 132a Nr 1 und vom 13.5.2004 - B 3 KR 2/03 R = SozR 4-2500 § 132a Nr 1 finden keine Anwendung. Unerheblich ist insoweit, dass die Vertragsparteien auch einen Vertrag mit einem geringeren beruflichen Anforderungsprofil der Pflegekräfte hätten abschließen können (Anschluss an BSG vom 17.3.2005 - B 3 KR 2/05 R = BSGE 94, 213 = SozR 4-5570 § 30 Nr 1 und BSG vom 28.2.2007 - B 3 KR 15/06 R = SozR 4-2500 § 39 Nr 7.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 08. Juni 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 20.538,84 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Betreiberin des privaten Krankenpflegedienstes X von der Beklagten eine Vergütung in Höhe von 20.538,84 EUR für in der Zeit von Februar 2003 bis April 2003 erbrachte Leistungen der Behandlungspflege zurückfordern kann. Mit diesem von der ihr geltend gemachten Erstattungsanspruch rechnete die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden nur noch als Beklagte bezeichnet) gegen Vergütungsansprüche der Klägerin, die dieser unstreitig für erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege entstanden waren, auf.

Am 06.07.1995 schlossen die Klägerin und eine weitere Rechtsvorgängerin der Beklagten einen für den hier streitigen Zeitraum noch maßgeblichen Vertrag über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege gemäß § 132 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit vom 26.05.1994 (BGBl. I S. 1014) - seit 01.07.1997 durch § 132 a SGB V ersetzt. Der sich anschließende Vertrag vom 01.07.2003 trat mit Wirkung vom selben Tage in Kraft. Im Vertrag vom 06.07.1995 (im Folgenden: der Rahmenvertrag) heißt es unter anderem:

"§ 1

Gegenstand des Rahmenvertrages

(1) Dieser Vertrag regelt Inhalt, Umfang, Vergütung und Qualität der Leistungen sowie Prüfung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen für

a) häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege, Grundpflege, hauswirtschaftliche Versorgung) gemäß § 37 Abs. 1 SGB V,

b) häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege) gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V.

...

§ 4

Qualität der Leistungen und Qualitätsanforderungen

(1) Der Leistungserbringer ist verpflichtet, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nur für Tätigkeiten und Leistungen einzusetzen, für die sie durch entsprechende Ausbildung qualifiziert sind. Der Leistungserbringer übernimmt die Gewähr für die sachgerechte Durchführung der Leistungen.

(2) Häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V wird durch geeignete Pflegekräfte erbracht.

Geeignete Pflegekräfte sind für

a) Behandlungspflege

Krankenschwestern/-pfleger sowie

Kinderkrankenschwestern/-pfleger . (Hervorhebung nicht im Original)

b) Grundpflege

Krankenschwestern/-pfleger sowie

Kinderkrankenschwestern/-pfleger

sowie Altenhelfer.

Bestimmte Aufgaben der Grundpflege können auch auf Kranken-und Altenpflegehelfer/innen, Haus- und Familienpflegerinnen und Dorfhelferinnen mit staatlicher Anerkennung delegiert werden.

...

§ 8

Vergütung

(1) Die Vergütung der erbrachten Leistungen richtet sich nach einer Vergütungsvereinbarung (Anlage 2).

...

§ 9

Abrechnung der Leistungen

(1) Der Leistungserbringer rechnet monatlich nach Ende des Einsatzes, spätestens nach Ablauf eines Kalendervierteljahres mit der AOK Leipzig ab.

…       

(3) Die Krankenkasse überweist den Rechnungsbetrag innerhalb von 28 Tagen nach Eingang der Rechnung. Spätere Rechnungsberichtigungen bleiben vorb...

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