Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Auslegung eines Rechtsmittels. Arbeitslosengeld II. Umstellung eines Antrags auf Erteilung einer Zusicherung zur Berücksichtigung der Aufwendungen für eine neue Unterkunft auf einen Antrag auf Übernahme der Aufwendungen für die neue Unterkunft. Erforderlichkeit des Umzugs. Vorliegen eines vernünftigen Grundes. gesundheitliche Beschwerden. Konflikte mit Nachbarn. Mängel am Mietobjekt. Selbsthilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Die Benennung des nicht statthaften Rechtsmittels Revision in Folge einer Falschbezeichnung ist dahingehend auszulegen, dass das statthafte Rechtsmittel Berufung gewollt ist.
2.a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes erfordert es, dass ein Antrag auf Erteilung der Zusicherung zum Umzug, der sich nach dem Umzug erledigt hat, in einen Antrag auf Übernahme der höheren Unterkunftskosten für die neue Wohnung umgestellt werden kann, wenn der den Zeitpunkt des Umzuges betreffende Arbeitslosengeld II-Bescheid zu diesem Zeitpunkt bestandskräftig ist.
b) Die Umstellung der Klage kann allerdings nur in Bezug auf den Bewilligungsbescheid erfolgen, in dessen Leistungszeitraum der Monat fällt, zu dem die neue Wohnung als Unterkunft genutzt wird.
3.a) Ein Umzug ist erforderlich im Sinne des § 22 Abs 4 Satz 2 SGB 2, wenn er durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt ist, oder mit anderen Worten, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger leiten lassen würde. Es ist nicht ausreichend, wenn der Umzug lediglich sinnvoll oder wünschenswert ist.
b) Aus dem Begriff der Erforderlichkeit folgt auch, dass ein vernünftiger Grund für den Umzug erst dann anerkannt werden kann, wenn das durch den vorgetragenen Grund definierte Ziel des Umzugs zumutbar nicht auf andere Weise als durch einen Umzug erreicht werden kann.
4. Ein Anspruch auf Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung für eine neue Wohnung, die sich im Rahmen der Angemessenheit halten, jedoch höher sind als die Kosten für die bisherige Wohnung, besteht nur, wenn sich der Umzug als erforderlich erweist.
5.a) Gesundheitliche Beschwerde können die Erforderlichkeit eines Umzuges begründen.
b) Ein Umzug kann erforderlich sein, wenn ein Konflikt mit anderen Hausbewohnern nicht behebbar ist und auf Grund dessen ein weiterer Verbleib in der bisherigen Wohnung nicht zumutbar erscheint. Der Betroffene muss jedoch das zu Gebote stehende unternommen haben, um den Störungen Abhilfe zu schaffen oder zumindest für eine Beruhigung der Situation zu sorgen.
c) Bei Mängeln am Mietobjekt kann einen Umzug erst erforderlich werden, wenn der Vermieter eine ihm obliegende Mängelbeseitigung ablehnt oder die Beseitigung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist oder dem Hilfebedürftigen, etwa wegen der Dauer oder des Umfangs der Beseitigungsmaßnahmen oder nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht (mehr) zugemutet werden kann. Regelmäßig ist ein vernünftiger Umzugsgrund erst dann anzuerkennen, wenn ein Recht des Hilfebedürftigen zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages besteht.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. August 2011 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Zusicherung zum Umzug wegen der höheren Kosten für seine neue Wohnung.
Der 1981 geborene, erwerbsfähige Kläger bezieht seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Mit Bescheid vom 21. Oktober 2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. März 2011 und 31. März 2011 wurden ihm Leistungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. Mai 2011 in Höhe bewilligt, zuletzt in Höhe von monatlich 523,71 EUR bewilligt.
Der Kläger bewohnte eine 32,11 m² große Einraumwohnung mit einer Gesamtmiete in Höhe von 205,24 EUR. In einer “Erklärung zu den Gründen meines Umzugs„ gab er am 11. Januar 2011 an, dass er “jetzt schon 12 Jahre in diesem Loch„ wohne und “einfach mal nen Tapetenwechsel„ brauche. “Mit den neuen Mietern (A…)„ habe er auch “keinen Bock mehr wie diese zu wohnen„. Es sei sein gutes Recht, als Alleinstehender in eine 2-Raum-Wohnung mit 45 m² zu ziehen. Er legte ein Mietangebot der Grundstücks- und Gebäudewirtschafts-Gesellschaft m. b. H. (Chemnitz) für eine 40,24 m² große 2-Raum-Wohnung vor. Die Grundmiete sollte 200,00 EUR, die Vorauszahlungen auf die Betriebskosten sowie auf Heizung- und Warmwasser sollten jeweils 41,00 EUR betragen. Hinzu sollte eine Kaution in Höhe von 400,00 EUR kommen. Ebenfalls am 11. Januar 2011 stellte er einen Antrag auf Wohnungserstausstattung, bestehend aus eines Anbauwand, einem kompletten Schlafzimmer, einem Gefrierschrank, einer Küchenzeile, einer Waschmaschine (falls sie kaputt gehe...