Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. territorialer Geltungsbereich. dauerhafte Wohnsitzverlegung eines behinderten Menschen ins Ausland. Schwerbehindertenstatus. Schwerbehindertenausweis. GdB-Feststellung
Orientierungssatz
Verlegt ein schwerbehinderter Mensch seinen Wohnsitz dauerhaft ins Ausland und hat er auch keine Beschäftigung mehr im Inland, entfällt sein Schwerbehindertenstatus gemäß § 2 Abs 2 SGB 9 und damit auch sein Anspruch auf den Schwerbehindertenausweis gemäß § 69 Abs 5 SGB 9. Der Schwerbehindertenausweis ist von dem für den jeweiligen Wohnsitzstaat zuständigen deutschen Versorgungsamt einzuziehen. Der den Grad der Behinderung gemäß § 69 Abs 1 SGB 9 feststellende Bescheid bleibt jedoch unverändert wirksam und darf nicht aufgrund des Umzugs ins Ausland wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse gemäß § 48 SGB 10 aufgehoben werden (Entgegen LSG Mainz vom 22.6.2001 - L 6 SB 108/00 = Behindertenrecht 2002, 24 = VersorgVerw 2002, 24).
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 18.12.2003 sowie der Bescheid vom 23.04.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2003 aufgehoben.
II. Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen und der Beigeladene keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die wegen Umzugs in die Schweiz erfolgte Aufhebung eines Bescheides, mit dem ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt worden war.
Der 1951 geborene Kläger ist seit 1991 als behinderter Mensch mit einem GdB von 40 anerkannt. Ab 22.11.1993 wurde der GdB auf 50 erhöht und schließlich mit Änderungsbescheid vom 30.06.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.1998 eine Neufeststellung der Behinderungen bei Beibehaltung des GdB von 50 vorgenommen. Im Änderungsbescheid vom 30.06.1998 teilte der Beklagte dem Kläger auch mit, dass beabsichtigt sei, seinen Schwerbehindertenausweis bis Juni 2003 zu verlängern. In der Folge wurde ihm schließlich der bis Juni 2003 gültige Schwerbehindertenausweis ausgehändigt.
Nachdem der Kläger am 04.04.2003 dem Beklagten die dauerhafte Verlegung seines Wohnsitzes in die Schweiz mitgeteilt und die Verlängerung seines Schwerbehindertenausweises beantragt hatte, erließ der Beklagte nach Einholung einer Melderegisterauskunft vom 08.04.2003, wonach sich der Kläger ab 20.10.2001 in die Schweiz abgemeldet hat, einen Aufhebungsbescheid vom 23.04.2003, in dem er bestimmte:
“Der Bescheid vom 30.06.1998 wird aufgehoben. Ein Grad der Behinderung wird nicht mehr festgestellt."
Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass mit der dauerhaften Wohnsitzverlegung in die Schweiz am 20.10.2001 der Wohnsitz und gewöhnliche Aufenthalt des Klägers nicht mehr im deutschen Staatsgebiet liege und daher die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) nicht mehr erfüllt seien. Der Schwerbehindertenausweis sei nach Eintritt der Unanfechtbarkeit dieses Bescheides einzuziehen und daher dann umgehend dem Beklagten zu übersenden.
Dagegen erhob der Kläger am 08.05.2003 Widerspruch, weil seine anerkannte Leistungsminderung auch in der Schweiz bestehen bleibe und sein Schwerbehindertenausweis auf Grund des Sozialversicherungsabkommens zwischen der Schweiz und den EU-Staaten weiterhin gültig sei. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2003 unter Bestätigung des Ausgangsbescheides zurück.
Der Kläger hat - ohne einen konkreten Antrag zu stellen - am 20.08.2003 Klage erhoben und vorgetragen, dass seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit und verminderte Berufsfähigkeit in der Schweiz fortbestehe, so dass er nicht in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Es müsse eine Zusammenarbeit aller Behörden angeordnet werden, um seinen Lebensunterhalt in Form einer Rente zu sichern.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und auf die Gründe der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Beteiligten jeweils mit Schreiben vom 12.11.2003, zugestellt jeweils am 17.11.2003, zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört und die Klage sodann mit Gerichtsbescheid vom 18.12.2003 abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass sich der Beklagte habe bei seiner Aufhebungsentscheidung auf § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) stützen können, weil mit der Verlegung des Wohnsitzes in die Schweiz eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen des Klägers eingetreten sei. Zwar seien weiterhin die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von 50 anzunehmen. Jedoch habe der Kläger entgegen § 2 Abs. 2 SGB IX weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt, noch seinen Wohnsitz, noch seine Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, so dass schwerbehindertenrechtliche Feststellungen nicht mehr möglich seien. In...