Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherung. Versicherungspflicht bzw -freiheit. Geschäftsführer einer Familiengesellschaft. Abwendung unliebsamer Weisungen des Arbeitgebers. Gewährung eines Darlehens bzw Übernahme einer Bürgschaft kein Indiz einer selbständigen Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei einer sog Familiengesellschaft ist entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden abhängigen Beschäftigung die Möglichkeit, unliebsame Weisungen der Arbeitgebers abzuwenden.
2. Die Gewährung eines Darlehens bzw die Übernahme einer Bürgschaft ist jedenfalls unter Ehegatten oder Lebenspartnern nicht ausreichend, um eine Tätigkeit des einen Partners im Betrieb des anderen als selbständige Tätigkeit einstufen zu können.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 16. März 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die 1970 geborene Klägerin und Berufungsklägerin seit 1. April 2007 bei der Beigeladenen zu 1 sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.
Sie war von August 1989 bis November 2003 Mitarbeiterin in der Arbeitsvorbereitung der Z… Kammgarn GmbH, danach bezog sie Arbeitslosengeld. Ab März 2004 war sie als H…-l…-Mitarbeiterin nebenberuflich selbständig ständig und erwirtschaftete 2004 einen Gewinn von 105,00 EUR. 2005 erzielte sie einen Verlust von 8.880,00 EUR. Ab 13. November 2006 arbeitete sie zunächst halbtags als Verkäuferin bei der Beigeladenen zu 1. Seit 2. April 2007 ist sie im Handelsregister als deren Geschäftsführerin eingetragen. Sie ist seither einzelvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit.
Die Beigeladene zu 1 wurde ab 3. Februar 1999 von G… L… nach Übernahme aller vorhandenen Gesellschaftsanteile als GmbH unter dem Namen Möbel L… GmbH geführt. Mit Wirkung vom 1. September 2003 übertrug sie ihren Gesellschaftsanteil auf ihren Sohn K.. L…, der gleichzeitig Geschäftsführer unter Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot wurde. Seine Lebensgefährtin ist seit 2001 die Klägerin, mit welcher er seit 2003 zusammenlebt und ein 2005 geborenes gemeinschaftliches Kind hat.
Mit Schreiben vom 7. Mai 2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten und Berufungsbeklagten einen "Antrag auf Feststellung nach § 28h SGB IV" und bat um eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung und um Bestätigung, dass sie seit 1. April 2007 bei dieser als freiwilliges Mitglied geführt werde. Es gebe keine schriftlichen vertraglichen Vereinbarungen zur Ausgestaltung ihrer Geschäftsführertätigkeit. Sie widme sich vor allem dem kaufmännischen Bereich und übe ihre Tätigkeit vollkommen weisungsfrei aus. Arbeitszeit, Arbeitsort und Ausgestaltung ihrer Tätigkeit bestimme sie selbst. Ihre durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit betrage 50 bis 60 Stunden. Sie habe Personalentscheidungsbefugnis und unterliege nicht dem Direktionsrecht der Gesellschafterversammlung. Dass das ihr gezahlte Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe verbucht und Lohnsteuer abgeführt werde, lasse den Schluss einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nicht zu. Deshalb werde die Feststellung beantragt, dass sie nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege.
Dem Antrag war ein "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH im Rahmen eines Anfrageverfahrens gemäß § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV" beigefügt, den die Klägerin am 25. April 2007 unterschrieben hatte und in welchem sie zusätzlich u. a. angab, sie könne durch Sonderrechte Gesellschaftsbeschlüsse herbeiführen oder verhindern. Sie habe der Firma keine Darlehen gewährt und keine Bürgschaften übernommen. Es sei eine Kündigungsfrist von drei Monaten vereinbart. Die GmbH werde nach außen von ihr und K.. L… vertreten. Sie verfüge als einzige Geschäftsführerin über die im kaufmännischen Bereich erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse. Ihre Tätigkeit sei aufgrund von familienhaften Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander mit dem anderen Geschäftsführer geprägt.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin als sog. Fremdgeschäftsführerin sei abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig. Eine Tätigkeit in einer Familien-GmbH sei zu verneinen, da die Klägerin in einer eheähnlichen Partnerschaft lebe und die Grundsätze, unter denen trotz einer Fremdgeschäftsführertätigkeit ausnahmsweise eine selbständige Tätigkeit angenommen werden könne, nicht anwendbar seien.
Der gegen den Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2007 zurückgewiesen. Im Bescheid vom 17. Juli 2007 sei zutreffend festgestellt worden, dass die Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe und damit der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherungspflicht unterliege. Da sie nicht am Kapi...