Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. arbeitstechnische Voraussetzung. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Langjährigkeit. Mainz-Dortmunder-Dosismodell. individuelle Gesamtbelastungsdosis. Orientierungswert. Installateur
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule eines Gas- und Wasserinstallateurs, der ohne Berücksichtigung seiner Lehrjahre berufsbedingt 13 Jahre einer wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit nachgegangen ist, als Berufskrankheit gem BKV Anl Nr 2108.
2. Das Mainz-Dortmund-Dosismodell dient der Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe "langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten". Es basiert auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch äußere Einwirkungen verursacht werden können und dafür eine gewisse Belastungsdosis iS eines Drucks auf die Bandscheiben notwendig ist. Insofern handelt es sich um die Zusammenfassung medizinischer Erfahrungstatsachen. Die gerichtliche Anwendung des MDD beruht daher auf einer tatsächlichen Feststellung dahin, dass es diese Zusammenfassung medizinischer Erfahrungstatsachen gibt.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung des Bescheides vom 18. September 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 1997 und gegen die Feststellung des Sozialgerichtes Dresden im Urteil vom 27. Mai 1999, dass die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung darstellt, wird zurückgewiesen.
II. Die Entscheidung über die Verletztenrente und die Kostenentscheidung bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Lendenwirbelsäulenleiden des Klägers als Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen ist.
Der im Jahre ... geborene Kläger absolvierte in den Jahren 1973 bis 1975 eine Lehre als Gas- und Wasserinstallateur und war danach bis zum 25.05.1993 im selben Betrieb bei verschiedenen Rechtsträgern (VEB (B) Ingenieurhochbaukombinat P.; Z. TGA Anlagen GmbH, Heizung Lüftung, Sanitär u. Rohrleitungen) in diesem Beruf tätig.
Am 29.11.1985 stellte sich der Kläger bei der Ärztin für Allgemeinmedizin G. wegen Hüftgelenks- und Rückenbeschwerden erstmals vor. Im Jahre 1986 machten sich dann weitere Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) bemerkbar (vom 20.05. bis 30.05.1986 wegen Diagnosenummer 724 bei der Ärztin für Allgemeinmedizin G. in Behandlung). 1988 kam es zu einer deutlichen Schmerzverstärkung mit Ausstrahlung in das rechte Bein (ab 16.08.1988 wegen Diagnosenummer 724 bei Dr. R. und später bei dem Orthopäden K. in Behandlung; stationär vom 12.10. bis 24.10.1988 und vom 27.07. bis 28.08.1989 im Krankenhaus in Zittau). Vom 06.09. bis 14.10.1989 befand er sich im M.-U.-Haus Orthopädische Klinik R., wo er wegen eines rezidivierenden lumbalen Wurzelreizsyndroms nach Diskusprotrusion mit großem intradiskalem Sequester an der Bandscheibe L5/S1 operiert wurde (Fensterungsoperation rechts). Er war danach bis 10.12.1989 arbeitsunfähig krank. Der Kläger nahm anschließend seine bisherige Tätigkeit wieder auf. Es schlossen sich weitere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit an: 08.10. bis 17.11.1991 wegen eines akuten LWS-Radikulärsyndroms; 08.01.1992 wegen eines akuten vertebragenen Schmerzsyndroms; 11.03.1992 wegen eines LWS-Radikulärsyndroms; 12.05. bis 05.06.1992 wegen akuter Ischiassymptomatik; 21.08.1992 wegen eines vertebragenen Schmerzsyndroms; 23.10. bis 25.11.1992 wegen eines akuten depressiven Syndroms bei chronischem Schmerzsyndrom der LWS). Ab 26.05.1993 war er wieder arbeitsunfähig krank und wurde während seines stationären Aufenthaltes vom 02.06. bis 27.06.1993 im M.-U.-Haus, Orthopädische Klinik R., nach myelographisch gesichertem Abbruch der Wurzel L5 links erneut an der Bandscheibe L5/S1 operiert (Fensterungsoperation links). Danach war er dauerhaft arbeitsunfähig krank und kehrte nicht mehr in seinen Beruf zurück. Der Kläger bezieht seit Januar 1995 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Mit Schreiben vom 25.01.1994 beantragte der Kläger die Anerkennung seiner Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit. Die Berufskrankheitenanzeige des Arbeitgebers erfolgte am 05.04.1994. Er gab an, der Kläger habe seit 1973 weder schwere Lasten gehoben und getragen noch in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet. Nach Eingang der Berufskrankheitenanzeige der Neurologin W. am 07.09.1994 beauftragte die Beklagte nach der Beiziehung medizinischer Befunde (Epikrise zur ersten und zur zweiten Bandscheibenoperation; Arztbrief der Radiologin Dr. M.-G.. über das Ergebnis eines MRT vom 08.11.1994) ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) mit einer Expositionsanalyse. Dieser gelangte in seiner Stellungnahme vom 04.10.1995 zu dem Ergebnis, dass der Kläger im Zeitraum von 1973 bis 1975 zu 15 % der durchschnittlichen Arbeitszeit, bis August 1988 zu 30 % der durchschnittliche...