Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs gegen einen Sachverständigen zeitgleich mit der Hauptsacheentscheidung. Ausschluss der Beschwerde nach § 172 Abs 2 SGG -Schwerbehindertenrecht. GdB-Herabsetzung nach Heilungsbewährung. keine Änderung des medizinischen Befunds erforderlich
Orientierungssatz
1. Die Entscheidung des Sozialgerichts über die Ablehnung von Sachverständigen kann gemäß § 172 Abs 2 SGG auch dann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, wenn sie (wie hier) erst zeitgleich mit der Hauptsacheentscheidung ergeht.
2. Für die Fälle eines vor Einreichung des Gutachtens angebrachten Ablehnungsgesuchs kann aber möglicherweise etwas anderes gelten.
3. Eine Änderung des tatsächlichen medizinischen Befundes ist keine Voraussetzung für den Eintritt der Heilungsbewährung. Besteht jedoch weiter ein begründeter Verdacht eines Rezidivs der bösartigen Erkrankung, kann von einer Heilungsbewährung nicht ausgegangen werden.
4. Zur Feststellung des Grads der Behinderung (GdB) gemäß den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Anlage zu § 2 VersMedV) nach heilungsbewährter Darmkrebserkrankung.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. September 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Änderung/Absenkung des Grades der Behinderung (GdB) nach Heilungsbewährung.
Aufgrund eines Adenokarzinoms des Rektums, bei dessen Entfernung vorübergehend ein künstlicher Darmausgang angelegt wurde, hat der Beklagte mit Bescheid vom 04.07.2013 einen GdB von 80 festgestellt. Mitgeteilt wurde, dass im Mai 2018 eine Nachprüfung der Verhältnisse vorgesehen sei. Zu prüfen sei dann, ob bei der festgestellten Behinderung eine Heilungsbewährung eingetreten sei. Im Rahmen der Nachprüfung der gesundheitlichen Verhältnisse von Amts wegen, teilte die Klägerin unter dem 28.05.2018 mit, folgende weitere Funktionsbeeinträchtigungen seien aufgetreten: Zirkumskripte Sklerodermie, positive Borrelien , Vitiligo der Hände, Rosacea erythematosa , Medikamentenallergie (Ibuprofen, Novalgin , ASS, Tilidin, Eumed ). Nach Einholung von Befundberichten nahm der ärztliche Gutachter Dr. Y. am 28.06.2018 dahingehend Stellung, dass die Enddarmerkrankung heilungsbewährt sei, die Hautveränderungen bei Autoimmunkrankheiten des Bindegewebes (Sklerodermie sowie Rosazea) mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten seien. Nach Anhörung vom 11.07.2018 entschied der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 20.08.2018, dass weiterhin eine Behinderung festgestellt werde, der aktuelle GdB nunmehr 30 betrage.
Im Widerspruchsverfahren nahm die Hautärztin Dr. X. auf den Untersuchungsauftrag am 06.05.2019 Stellung. Sie beschrieb die Sclerodermia circumscripta folgendermaßen: Chronisch stationäre juckende und trockene hyperpigmentierte narbige Areale am gesamten Oberbauch, Halsbereich, linke Armbeuge und an den Oberschenkelinnenseiten. Gegenwärtig seien neue Herde in Form einer Morphea am Rücken und beugeseitig der Beine. Lokale Behandlung mit Elidelcreme und Pflegesalben. Im Moment sei eine Ruhephase ohne akuten Schub. Unter Belastung träten immer wieder neue Schübe auf. Sozialmedizinisch nahm Dipl.-Med. W. als ärztlicher Gutachter am 15.05.2019 Stellung. Die Rosazea sei mit einem GdB von 10, die Pigmentstörung mit einem GdB von 20, die Sklerodermie unverändert mit einem GdB von 30 zu bewerten, Gesamt-GdB von 30.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2019 wies der Kommunale Sozialverband Sachsen den Widerspruch der Klägerin zurück.
Auf die am 17.06.2019 erhobene Klage hat das Sozialgericht Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt und ein Gutachten erstellen lassen von Dr. V., Sozialmedizin, vom 17.03.2020, Tag der Untersuchung 16.03.2020. Er stellte hinsichtlich der Haut folgende Funktionsstörungen fest: Zarte Rötung im Wangenbereich im Sinne einer Rosacea , einzelne Vitiligoherde auch am Handrücken und Unterarm ohne dass diese Erscheinungen störend wirken. Im Bereich des Bauches finden sich bräunliche Verfärbungen im Sinne der Sklerodermie. Der Bereich unmittelbar um den Nabel herum ist davon nicht betroffen. Die bräunliche Verfärbung zeigt sich auch im Bereich oberhalb des Gesäßes, auch an den Innenseiten der Oberschenkel gibt es umschriebene Herde, ebenso an den Oberarmen. Ansonsten ist die Haut nicht auffällig. Die Weißfleckenkrankheit sei geringgradig ausgeprägt, eine Entstellung liege nicht vor. Die Schmetterlingsröte sei kosmetisch wenig störend, von einer entstellenden Wirkung könne nicht gesprochen werden. Die Sklerodermie sei etwas stärker ausgedehnt, habe aber auch kaum kosmetische Auswirkungen, schon gar keine Funktionellen. Es handele sich um keine progressive systemische, sondern um eine zirkumskripte Sklerodermie. Die Erkrankung sei eher geringgradig ...